Sharing is Caring

Bild: Fabmobil, www.fabmobil.org

Christina Sahr im Gespräch mit Christian Zöllner

Christian Zöllner ist Professor für Designmethoden und Experiment an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle. 2012 gründete er zusammen mit Sebastian Piatza das Designstudio The Constitute. Im Oktober 2017 schickten die beiden und ihre Mitstreiter das Fabmobil auf seine Fahrt durch die Oberlausitz: ein Doppeldeckerbus, ausgestattet mit 3D-Druckern, Lasercutter und Internet der Dinge. Im Fabmobil können Kids und Erwachsene digitale Technologien lernen, es gibt offene Werkstattzeiten und Gelegenheit, sich auszutauschen.

Fangen wir mit dem Anfang an: Wie kam es zu dem Fabmobil?
Sebastian und ich, wir waren lange mit dem Studio in Berlin, in Kreuzberg. Doch als dann die Kinder kamen, hab‘ ich mich gefragt: Wieso lebe ich eigentlich hier in der Stadt? Das ist doch total stressig, und die Großeltern sind viel zu weit weg. Wozu muss ich als Designer unbedingt in der Großstadt sein? Nun ja, das Leben in der Stadt hat nun mal eine Menge Vorteile. Es gibt eine unglaublich kreative Szene, viel Inspiration, viel Anregung, die zu neuen Projekten führt, Netzwerke, gutes Essen, gute Musik. Also habe ich ein Mindmap gemacht und geguckt: Was ist eigentlich nötig, damit ich als Designer aufs Land ziehe? Arbeitstitel war „Dorf Design Lab“.
13.09.2018. Steinhaus Bautzen
Foto : Yorck Maecke
Berufsinformationsmessen im Jahr 2018/2019. Veranstaltung mit dem Fabmobil.
v.l.n.r. Christian Zöllner 37 Sebastian Piazza 32 und Jens Beyer 35
Und? Hast du das passende Dorf gefunden?
Nein. Einen Ort, wo man leben und arbeiten kann und ausbilden und weiterbilden und sich vernetzen, den gibt es in Ost-Sachsen nicht. Alle Strukturen sind dezentral, alle Menschen sind irgendwo verteilt. Wir überlegten also, was diesem dezentralen Charakter entspricht und kamen so auf ein mobiles Designlabor. Und weil Designlabore viel mit Fertigung zu tun haben – Ideen werden hier geboren, ausgearbeitet, zur Debatte gestellt und materialisiert – ist es eine fahrende Werkstatt geworden. Und um das Ganze zu finanzieren, haben wir es in den Dienst der Bildung gestellt.
Damit wart ihr Pioniere.
Für diese Art des Arbeitens, Lernens, kreativen tätig Seins gab es keine Vorbilder im ländlichen Raum, das machte hier niemand. In der Stadt gibt es Kreativlabore und Community-Center und Co-Working-Spaces – aber die Jugendlichen auf dem Land sind davon total abgeschnitten. Mit dem Fabmobil können wir einen Beitrag zur Förderung junger, kreativer Menschen auf dem Lande leisten.
Auch von den AGD-Kollegen kennen viele diese Situation. Sie sitzen irgendwo auf dem Lande, es mangelt an Kontakten zur kreativen Szene, an Austausch und Inspiration. Hättest Du für die Kollegen einen Tipp, wie sie ihre Situation verbessern können?
Das kann man so allgemein nicht sagen, das kommt immer auf den Einzelfall an. In Nordfriesland herrschen ganz andere Bedingungen als in der sächsischen Oberlausitz. Und in Baden-Württemberg, wo mehr Hidden Champions sitzen als sonst irgendwo, obwohl auch hier flaches Land ist, sind die Voraussetzungen andere als in Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig ist die kritische Masse. Ab einem bestimmten Punkt, wenn die kritische Masse erreicht ist, funktioniert es. Wir haben das so gemacht, dass wir auf Netzwerke zurückgegriffen haben, die es vor Ort schon gab. Wir waren zwar 15 Jahre weg aus der sächsischen Oberlausitz, aber wir haben immer Kontakt gehalten. Ab dem Punkt, an dem wir international erfolgreich waren, haben wir gesagt: Für jedes Projekt, das wir international machen, machen wir eines – mal mehr, mal weniger – pro bono im sächsischen ländlichen Raum. Da haben wir zum Beispiel schon 3D-Druck-Workshops gegeben.
Bild: Fabmobil, www.fabmobil.org
Also wäre mein Tipp für Designer auf dem Lande vielleicht der: Lasst andere teilhaben an euren Fähigkeiten, an eurem Kreativ-Sein, bildet Leute aus, generiert Nachwuchs, der nicht zwingend in die großen Städte muss, um kreativ zu sein. Dass man auf dem Land genau so innovativ sein kann, muss man vorleben. Sharing is caring. Ich muss mein Wissen teilen, um eine größere Community zu erzeugen.
Danke! Ihr wart ja vor nicht allzu langer Zeit mit eurem Fabmobil auf der re:publica in Berlin. Habt ihr dort anders gearbeitet als sonst?
Es ist schon ein Unterschied, klar. In Berlin kennt ja jeder alles schon. Alle wissen, was ein 3D-Drucker ist, wie man Laser-Cutter bedient, wie man mit einem Arduino-Board umgeht, auf dem Land ist das total anders. Hier ist das alles neu. Und zwar durch alle Generationen hindurch. Das ist ein ganz anderer Bildungsauftrag, das sind ganz andere Zeitabläufe, die dadurch entstehen. Es dauert alles viel länger. Was nicht vorrangig an den Menschen selber liegt.
Wenn ich richtig informiert bin, war die Zukunft des Fabmobils beziehungsweise deren Finanzierung noch unsicher. Hat sich daran etwas geändert?
Wie das mit allen Zukünften so ist: Sie sind nie gesichert. Wir hangeln uns immer noch von Jahr zu Jahr, müssten eigentlich jetzt schon wieder in die Mittel-Akquise gehen. Wir wissen, dass ein Minimal-Grundstock für die nächsten Jahre gesichert ist, aber mehr können wir noch nicht sagen. Wir haben das jetzt zwei Jahre lang gemacht, und die Leute vor Ort finden das richtig gut. Unsere Arbeit ist ein Teil der Kultur, der Digitalisierungsbildung in der Region geworden. Wenn das nicht weiter gefördert wird, ist eine Menge Geld in den Sand gesetzt, weil es unendlich lange dauert, hier Wissen zu produzieren – vor Ort, mit den Menschen. Wir kommen, erklären, zeigen, üben, und sind dann wieder weg. Wir können ja nicht permanent da sein.
Wie könnte man die Förderer überzeugen?
Was ich sage, richtet sich gar nicht gegen die Förderer, unsere Förderer sind wundervoll. Aber sie haben eben die Auflage, nur einzelne Projekte und immer neue Projekte zu fördern. Für unser Feld – nicht mehr nur ganz neue Projekte, aber auch noch nicht Institution – gibt es einfach noch keine ausreichenden Förderhebel. Wirtschaftlich trägt sich ein solches Projekt nicht, die Technologiebildung auf dem Land wäre eigentlich ein Staatsauftrag.
Was sollte sich deiner Meinung nach ändern?
Es gibt mehrere Dinge, die sich ändern müssten. Das ist sehr vielfältig. Und kompliziert. Aber ich kann es mal für die Region Ost-Sachsen sagen. Hier gibt es ein paar innovative mittelständische Unternehmen, deren Sitz hier ist, deren Geschäftsführung hier ist, deren Fertigungsstrecke hier ist. Es gibt aber viele andere Unternehmen, die nur Werkbank für westdeutsche Firmen sind. Da musst du als Designer gar nicht auftauchen, da gibt es für dich nichts zu tun. Wie willst du als Industriedesigner in Ost-Sachsen arbeiten, wenn die Kunden, oder besser die Entscheider nicht dort sind? Das ist das eine. Das andere: Mit dem Industriedesign ist das sowieso so eine Sache. Für welche Industrie? Die verschwindet ja zunehmend, immer mehr wird ausgelagert.
Bild: Fabmobil, www.fabmobil.org
Auch an den Design-Hochschulen wird viel mehr auf sozialen Zusammenhalt, social Innovation, social Design gezielt, was die jungen Leute ja dazu befähigt, genau in solchen ländlichen Regionen wie unserer ihre gestalterischen Fähigkeiten einzubringen, um einen sozialen Wandel hervorzurufen. Das finde ich tatsächlich interessant. Das ist so ähnlich wie in Berlin vor 25 Jahren. Da konnte man irgendwo hingehen, hatte eine billige Wohnung und konnte anfangen zu wirken. Genau so ein Entwicklungsschub, den es in Berlin vor 25 Jahren gab, ist für die ländlichen Räume auch möglich. Was ich mir wünschen würde … Ich wünsch mir einfach nur mehr junge Menschen, die aufs Land gehen, anstatt in die Städte. Hier verdienen sie relativ betrachtet auch nicht schlechter, weil sie viel weniger Geld brauchen.
Wir kommen zum Schlusswort. Was möchtest Du noch sagen?
Ich möchte unbedingt sagen, dass es trotz schwieriger Umstände, eine sehr bereichernde und tolle Arbeit ist, die wir da machen. Wir bekommen viel zurück. Von den jungen Leuten, von Firmen, die dankbar sind für den Einblick, den sie in neue Fertigungsstrategien bekommen. Das ist super!

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