Thinktank »Designer 2030«

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Wenn wir jetzt schon im Jahr 2030 wären,

… dann würden wir nach getaner Arbeit vermutlich unseren Computer zusammenrollen. Und dann würden wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen etwas trinken gehen – dieses Mal vielleicht in einer Bar in Kenia, das nächste Mal in einem deutsches Restaurant. Am Tisch würden dann beispielsweise Ingenieure, Ärzte, Sozialpädagogen, Musiker, Architekten, Agrarökonomen und Designer Platz nehmen und auf einen gelungenen Projekttag anstoßen. Denn jetzt schon und in der Zukunft noch viel mehr, findet unsere Arbeit in interdisziplinären Teams statt. Der Tellerrand hat an Bedeutung verloren; wir hätten bis dahin erlebt, wie die alten Grenzen zwischen den Professionen immer unwichtiger geworden wären. Wir hätten geübt und gelernt, wie man interprofessionell gemeinsam ein Problem löst.

Natürlich wissen wir, die Mitglieder des Thinktank »Designer 2030« der Allianz deutscher Designer, nicht mit Sicherheit, wie unsere Zukunft aussehen wird. Doch haben wir seit 2014 Studien gelesen, Forschungen gesichtet, die bekannten Trends und Megatrends analysiert – und noch wichtiger: Wir haben diskutiert, Entwicklungen bewertet und literarische Scouts in die Zukunft geschickt. Kurz: Wir haben im fundierten Experiment erkundet, welchen Zukünften wir als solo-selbständige Designerinnen und Designer begegnen könnten.

Deshalb freuen wir uns sehr, Ihnen unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Zukunft vorzustellen: Zum Beispiel Marusha (sie hat den einrollbaren Computer und die Kenia-Connection), Robert (er arbeitet unter anderem in der virtuellen Agentur „4u4all“ mit und kann dank seiner Exo-Hose wieder gehen) und Cathy (sie war von 2026 bis 2029 bei der ersten Marsmission dabei und ist Expertin für Custom Design Support). 2030 ist Cloe (die uns eine Botschaft aus dem Jahr 2030 schickte) zwanzig Jahre alt und Designistin in der Werdung, der 74-jährige Oskar hat als Senior Designer im Freelancer-Netzwerk „Utodee“ eine tragende und treibende Rolle und Inge wohnt dann schon seit zwölf Jahren in der Wohngemeinschaft „Unterm Sonnenschein“ und lebt gut von ihrer Alterssicherung – sie feierte gerade ihren 100. Geburtstag.

Die Bedeutung der Zukunft

Als wir 2014 die Anfrage seitens der AGD erhielten, herauszufinden wie selbständige Designerinnen und Designer im Jahr 2030 leben und arbeiten werden, hatten wir ein diffuses Wissen: Ja, in der Zukunft wird sich die Rolle der Designer und Designerinnen, werden sich die Anforderungen an uns irgendwie verändern. Wir werden Neues lernen und vermutlich unsere Kompetenzen erweitern müssen. Erst im Laufe unserer dreijährigen Arbeit wurde das Bild klarer. Es schälte sich heraus, dass uns die Individualisierung und die Globalisierung direkt betreffen werden, dass knappe Ressourcen, neue Arbeitsweisen und eine ungleiche Verteilung des Reichtums Herausforderungen darstellen, die uns in unserer Profession unmittelbar betreffen werden.

Jetzt wissen wir sicher: Einzelkämpfertum, stures Bestehen auf seine Autorenschaft und Passivität sind keine nachhaltigen Strategien für die Zukunft. Ein einfaches „weiter so“ wird es uns in der Zukunft schwer machen, von unserer professionellen Arbeit zu leben.

Deshalb ist es wichtig, dass sich jede Designerin, jeder Designer und unser Berufsverband darüber klar werden, wo sie heute stehen, welche Ziele sie anstreben und welche Konsequenzen das zur Folge hat. Wir haben einen Vorteil errungen: Wir glauben, begründete Blicke in die Zukunft geworfen zu haben – und können uns auf diese Zukunft einstellen, können entscheiden, an welchen Stellen wir sie beeinflussen wollen. Denn Zukunft muss nicht passiv ertragen werden. Sie ist formbar – aber nur für die, die sie aktiv gestalten wollen.

Übrigens wird sich auch die AGD in den nächsten 13 Jahren verändern (müssen). In unseren Zukunftsszenarios ist sie zur Alliance of Ideas and Design (AID) geworden. Sie dürfen gespannt sein.

Der theoretische Unterbau

Nachdem wir uns mit Megatrends beschäftigt haben, Themen wie Crowdworking, Neo-Ökologie, Industrie 4.0 und New Work bearbeitet und verstanden haben, suchten wir nach einer Methode, mit der wir Zukunftsszenarien auf einer wissenschaftlichen Basis entwickeln könnten. Wir wählten die Technik der „Intuitive Logics“ – sie ist im Vergleich zu anderen Methoden leicht erlern- und anwendbar und deshalb auch für wissenschaftliche Laien geeignet. Im Kern sieht das Konzept der „Intuitive Logics“ vor, Geschichten zu erzählen. Die Hauptbedingung dafür ist, dass wir allen Geschichten ein gemeinsames Koordinatensystem zu Grunde legen müssen. Im Klartext: Wir mussten definieren, welche Faktoren für die zukünftige Arbeitswelt der solo-selbständigen Designerinnen und Designer am meisten Bedeutung haben werden.

Nach mehreren Versuchen und lebhaften Debatten definierten wir folgende Haupteinflüsse, die die Basis aller Szenarios bilden:

1.     Ist Design in der Zukunft auf pure Formgebung konzentriert oder arbeiten Designer an der konzeptionellen Gestaltung mit? Wird Design nur als operativ (End of pipe) oder als strategisch (Beginning of pipe) angesehen?

2.     Leben wir in einer Gesellschaft, in der das Wohlergehen des Einzelnen (Individualisierung) oder der Gemeinschaft (Gemeinwohl) im Vordergrund steht?

3.     Leben wir in einer Gesellschaft, in der „jung sein“ das neue Dogma ist und sich daran alles orientiert (jugenddominierte Gesellschaft)? Oder leben wir in einer Welt, in der die Generationen die Stärken und Schwächen der jeweils anderen wohlwollend anerkennen (generationengerechte Gesellschaft)?

4.     Schwindende Ressourcen, ungleiche Verteilung von Chancen und klimatische Veränderungen werden uns sicher in die Zukunft begleiten: Doch wie gehen wir damit um? Werden wir 2030 in einer Welt leben, in der eine grüne Ökonomie etabliert ist, die aber das bisherige Wachstumskonzept nicht in Frage stellt (Green Economy)? Oder werden wir neue Ideen leben, die nicht mehr alleine am wirtschaftlichen Wachstum orientiert sind (Post-Wachstumsgesellschaft)?

Jede unserer Geschichten sind Explorationen dieser vier Grundthemen.

Der Aufbau der Studie

Im Teil 1 erklären wir das methodische Vorgehen im Detail, erläutern die Szenariotechnik und machen den Auswahlprozess der Einflussfaktoren transparent. Unsere Geschichten aus der und über die Zukunft stehen in Teil 2: Wir empfehlen bei aller Neugierde auf die Zukunft auch Muße beim Lesen – uns haben unsere Geschichten viel Spaß gemacht! Im dritten Teil schließlich stellen wir unsere Schlussfolgerungen vor: Auf welchen Feldern müssen wir handeln, um uns und die Rahmenbedingungen, die unsere Arbeit beeinflussen, fit für die Zukunft zu machen? Wir haben konkrete Empfehlungen für drei Gruppen von Akteuren erarbeitet: für die Designerinnen und Designer, für die Allianz deutscher Designer und für die Gesellschaft und Politik. Im Anhang dokumentieren wir unsere Beschäftigung mit den Megatrends – Vorträge, Extrakte, Zusammenfassungen. Machen Sie sich – so Sie mögen – selber ein Bild.

Bei den Empfehlungen liegt uns ein Handlungsfeld am meisten am Herzen: die Qualifizierung. Die Gegenwart belegt, dass Designerinnen und Designer Weiterbildungsmuffel sind. Um in der Zukunft gut arbeiten und die dann aktuellen Herausforderungen meistern zu können, müssen wir unsere Fähigkeiten erweitern. Lernen. Positiv neugierig sein.

im September 2017
Boris Buchholz, Beate Grübel, Christhard Landgraf, Bert Odenthal, Peggy Stein und Jan-Peter Wahlmann

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