Tagungsblog „Design und Grenzen“ | Tag 1: Workshops

Text (wenn nicht anders gekennzeichnet): Florian A. Schmidt  Fotos: Peggy Stein & Herbert Popp

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2016 ist die Allianz deutscher Designer mit ihrer Jahrestagung zu Gast in der alten Münze im historischen Zentrum Berlins. Wo einst Reichsmark, DDR-Mark, BRD-Mark und schließlich Euro-Münzen geprägt wurden, finden heute Kulturveranstaltungen statt. In den großzügigen Räumen der Spreewerkstätten trifft industrielle Patina auf minimalistische Innenarchitektur in unbehandeltem Holz und verbindet sich zum hauptstädtischen Charme der Creative Industries. In diesem Jahr geht es in zahlreichen Workshops und Vorträgen um das Thema „Grenzen”. Die hier geschilderte inhaltliche und praktische Auseinandersetzung mit dem Thema ist eingefasst von einer bewegten Mitgliederversammlung und der stolz-heimeligen Rückschau auf 40 Jahre Vereinsgeschichte durch das Power-Couple Heide & Lutz Hackenberg und die heutige Geschäftsführerin der AGD, Victoria Ringleb.

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Christhard „Otto” Landgraf : Linking the Gap

Im Methodenworkshop von Otto erlernen die Teilnehmer spielerisch Techniken für die schöpferische Zusammenarbeit mit ihren Kunden. Es geht um Perspektivwechsel bei der Analyse von Problemen und in der Selbstdarstellung, um die Koordination von Aufgaben in der Gruppe und vor allem um das Aufbrechen eingefahrener Kommunikationsmuster. So ist man zum Beispiel bei der typischen Vorstellungsrunde angehalten, eine Lüge in die eigene Kurzbiografie einzubauen, welche die anderen Teilnehmer im Kreuzverhör ermitteln müssen. Und tatsächlich – anstatt nach dem fünften Vortrag abzuschalten wird der innere Sherlock Holmes in einem wach. Hat Ina wirklich ein Kinderbuch illustriert, oder klingt das nicht vielmehr wie ein Wunschtraum? So wie die dreijährige Clownsausbildung, die eine andere Designerin nebenher absolviert haben will? Und kann man als Grafiker wirklich ein Praktikum bei der serbischen Mafia machen? Über diese Investigationen hinaus werden sich assoziativ die Bälle zugespielt, Gedankenstränge verwoben, der Turmbau zu Babel mit Spaghetti und Marshmallows nachgestellt und Narrative erwürfelt. Der Mensch ist eben nur da ganz Mensch wo er spielt.

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Marianne Lotz: Finanzielle Grenzen

Wie kann man wirtschaftliche Grenzen vorbeugen? Im Workshop von Marianne Lotz erhalten die Teilnehmer Anregungen zur Festlegung ihrer finanziellen Ziele und Tipps zur Soforthilfe, um finanzielle Grenzen vorzubeugen. Es geht um Zugeständnisse und Herzblutprojekte, in denen sich mitunter solche Grenzen zeigen. Wie müssen meine Ziele formuliert sein? Was macht mich besonders und wie kann ich die geforderten Kosten vor dem Kunden rechtfertigen?
Durch eine lebendige Gestaltung und abwechslungsreiche Übungsmethoden lernen die Teilnehmer die Relevanz selbst gesteckter finanzieller Grenzen und Ziele kennen. So gelingt es Marianne Lotz, auch die eher zurückhaltenden Teilnehmer aus der Reserve zu locken und sich aktiv mit ihren Erfahrungen und Fragen in den regen Austausch mit einzubringen. Besonders hilfreich scheint der Perspektivenwechsel für die Überwindung finanzieller Grenzen: versteh die Sichtweise des Kunden und mach Salamischeiben draus! (Text & Foto: Daniela Kanka)

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Andreas Maxbauer: Profil ohne Neurose

Das Schöne an Workshops mit gestandenen Kolleginnen und Kollegen ist, dass durch den gemeinsamen Status schnell ein Wir-Gefühl entsteht und dass alle, da sie wissen worum es geht, intensiv und konstruktiv arbeiten können. So auch bei Andreas Maxbauers Profilbildungsworkshop an dem sieben Designerinnen und Designer teilnahmen. Alle haben die Erfahrungen gemacht, dass der Preisdruck dann zunimmt, wenn Designer ihren Kunden nicht darstellen können, was das Besondere an ihnen und ihrer Arbeit ist und wie sie sich vom Mitbewerb unterscheiden können.

Das ist das Hauptthema des AGD-Workshops „Profil ohne Neurose – die Entwicklung eines persönlichen und marktfähigen Profils als Designer“: Sich seiner Stärken und Eigenschaften, Kenntnisse und Fertigkeiten bewusst zu werden um sich unverwechselbar positionieren zu können. Das diskussionsfreudige Seminar hat allen Spaß gemacht und führte nach intensiver und kollegialer Arbeit zu guten Ergebnissen. (Text: Andreas Maxbauer, Foto: Roswitha Wendhof)

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Uwe Steinacker & Annika Lyndgrun: You Can Touch This!

Am Nachmittag bei Uwe Steinacker und Annika Lyndgrun aus Düsseldorf geht es in einem Crashkurs für die Gestaltung von Tablet-Apps schon sehr viel ernster und technischer zu. Die Grenze, die es hier zu überwinden gilt, ist, das den meisten Designerinnen vertraute InDesign auch für die Produktion von Apps mit entsprechenden Touch-Gesten zu nutzen. Als gelernter Schriftsetzer des Bleihandwerks hat Uwe Steinacker schon viele technologische Umbrüche im Design mitgemacht und fühlt sich heute im Tablet Publishing zuhause. Seine Botschaft: Apps gestalten macht Spaß und ist leichter als sich die meisten Menschen vorstellen. Tatkräftig unterstützt wird er dabei von seiner Kollegin Annika Lyndgrun, die sich die entsprechenden Techniken bei der Entwicklung einer eigenen App über die Kreativszene in Moskau vor einigen Jahren selbst beigebracht hat. Weil Adobes Digital Publishing Suite inzwischen nur noch auf Großkunden ausgerichtet ist, und deshalb zu teuer für Einzelkämpfer geworden ist, machen die Workshopteilnehmer ihre ersten Schritte in der App-Entwicklung mit der französischen Software Aquafadas. Neben ganz konkreter Individualbetreuung beim Anlegen von Menüs und Buttons erfahren die Teilnehmer auch, dass sich direkt mit den Verkäufen von Apps kein Geld verdienen lässt, dass sie jedoch für die Imagepflege von Firmen immer wichtiger werden. Für Grafikdesigner lohnt es sich also, auch über den zu kurzen Workshop hinaus die Technik zu meistern und im eigenen Portfolio anzubieten.

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Marco W. Linke: Design kalkulieren

Währendessen geht es andernorts im Fedregoni Showroom noch mal um das Thema „Finanzen“. In seinem Workshop vermittelt Marco Linke den Teilnehmern Tipps und Tricks zur Preisverhandlung. Design kalkulieren umfasst jedoch nicht ausschließlich Preiskalkulationen, sondern die Anwesenden erfahren zudem wissenswertes zur Marktsituation, dem Zeiteinsatz in Bezug auf Design und Tipps zur eigenen Wertbemessung. Anekdoten aus dem eigenen Erfahrungsschatz und dem Designeralltag schaffen eine lebendige und vertraute Atmosphäre zwischen allen Beteiligten. Vom „Dating-“ und „Guru-Prinzip“, über das „Leap-Frog-Prinzip“ zum „Elevator-Prinzip“ erhalten die Teilnehmer eine umfangreiche Checkliste für erfolgreiche Preisverhandlungen. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ So gilt es zu verstehen, warum es wichtig ist dem Kunden auf Augenhöhe zu begegnen, wann es sinnvoll ist nicht mit Fachexpertise zu geizen und sich mit Autoritäten zu verbinden. (Text & Foto: Daniela Kanka)

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Hier geht es weiter: Tagungsblog Tag 2 – die Vorträge

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