Kultur- und Kreativpilot:innen Deutschland ist eine durch die Bundesregierung vergebene Auszeichnung für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Schnittstellen zu anderen Branchen, die sich an Selbständige, Gründer:innen und Projekte richtet. Sie wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung. Die Auszeichnung, die jährlich an 32 Projekte und die Menschen dahinter verliehen wird (also zwei je Bundesland), gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren. Sie ist nicht mit Geld dotiert, verschafft den Preisträger:innen jedoch eine gewisse Öffentlichkeit, ein solides Netzwerk der Kreativpilot:innen und ein einjähriges Begleitprogramm von Beratung, Coaching und Mentoring zur erfolgreichen Entwicklung ihrer Geschäftsidee.
Qualitätssprung
Dieses Jahr sind wir der Einladung zur Verleihung des Preises nach einer längeren Pause gefolgt – und sind begeistert. Die prämierten Projekte haben im Vergleich zu früheren Jahren einen riesigen Qualitätssprung gemacht. Sie sind ausnahmslos geprägt vom Anliegen ihrer Menschen, mit ihren Geschäftsideen die Welt zu einem besseren Ort zu machen – nachhaltiger, diverser, barrierefreier, diskriminierungsfreier, gerechter. Digital und analog, 2D und 3D, zum Mitnehmen, zum Teilhaben, zum Ausprobieren. Oder wie der anwesende Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck es zusammenfasste: »Es geht um Leben und Kot.«
»Mutkraftwerke«
Und überhaupt Herr Habeck. Für ihn war es eine Veranstaltung ohne Buhrufe, dafür mit sehr viel Zugewandtheit und Sympathie, was wohl auch an seinen passenden Worten lag. Denn nach dem Gang durch die Ausstellung hat er den Wesenskern der prämierten Ideen benannt: Sie sind die Innovationen, die Ideen, die Geschäftsmodelle von morgen, die Antworten finden auf die Anforderungen der sozialen und gesellschaftlichen Transformationen, die kommen werden. Deshalb hat er sie so passend als »Mutkraftwerke« bezeichnet. Denn sie haben den Mut, Neues auszuprobieren, auch um den Preis eines möglichen Scheiterns, (und das unterscheidet die Preisträger:innen von einem viel zu großen Teil der deutschen Wirtschaft, VR). Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, war auch da und hat geredet. Aber das war nicht so schön.
Unsere Favorit:innen unter den Preisträger:innen
Alle 32 sind beeindruckend und zu recht ausgezeichnet worden, aber wir wurden von der AGD-Redaktion aufgefordert, drei Favorit:innen zu benennen, dann tun wir das:
urnfold von Katharina Scheidig & Kristina Steinhauf
Urnen aus Papier? Wie soll das die Welt verbessern? Ganz einfach, indem sie sowohl der Umwelt als auch der Gesellschaft etwas Gutes tun.
Die in Regensburg per Handarbeit hergestellten Urnen bestehen aus nachhaltigem und hochwertigem Papier. Das Material ermöglicht eine eigene Gestaltung der Urnen durch die Hinterbliebenen der Verstorbenen. Sie können bemalt, beschrieben, beklebt parfümiert und mit Blumen geschmückt werden, was bei der Trauerarbeit unterstütz und einen persönlichen Abschied ermöglicht. Denn:
“Individualität lässt sich nicht kaufen, sie entsteht durchs Machen, so wie jeder Mensch durch sein Handeln Spuren hinterlässt.”
Finizio – nach uns der Humus von Florian Augustin
Mit V.I.Pee und V.I.Poo sorgte Florian Augustin für Aufsehen. Unsere Exkremente sollen wertvolle Stoffe enthalten, die zu verwerten es sich lohnt. Mit Hilfe einer Trockentoilette, die die beiden Absonderungen getrennt voneinander entsorgt und sie der optimalen Verarbeitungsmethode unterzieht, kann aus dem letzten Rest ein wertvolles Düngemittel hergestellt werden. Zusäzlich entfällt der hohe Wasserverbrauch durch Spülung und co.
Für Florian ist diese Kombination aus Ende (ital. FINE) und Anfang (ital. INIZIO) das non plus ultra:
“Wir bereiten seit Jahren den Weg für eine echte Kreislaufwirtschaft. Diese Auszeichnung kann uns kräftigen Wind in die Segel blasen, um unseren weitreichenden Zielen näherzukommen.”
Repair Rebels von Dr. Monika Hauck
Bereits im Schulunterricht lernte Dr. Monika Hauck, Kleidung zu reparieren. Um Fast Fashion den Kampf anzusagen, hat sie mit Repair Rebels den niederschwelligen Impuls für die Rettung defekter Textilien geschaffen – eine Plattform, auf der man mit wenigen Klicks Personen (Rebels) bestellen kann, die kaputte Kleidung abholen und zur Reparatur in ein Fachgeschäft bringen.
Damit reduziert sie einerseits die Zahl weggeworfener Kleidungsstücke, die nur “kleinere Macken” haben und stärkt zusätzlich die lokalen Handwerksbetriebe. Durch Benutzer*innen-Freundlichkeit schafft sie Anreize, Kleidung la?nger zu tragen und Fast-Fashion-Ka?ufe zu reduzieren. Den Tu?r-zu-Tu?r-Service bietet sie bisher in Du?sseldorf und in Ko?ln an. Außerhalb dieser Sta?dte ko?nnen Lieblingsteile per Post an Repair Rebels geschickt werden.
“Wir wollen Reparieren zu einer neuen Normalität machen und zu einem Kulturwandel beitragen, bei dem Menschen stolz sind, ihre reparierte Kleidung zu tragen”
Die Wahl fiel schwer, und der Blick auf alle ausgezeichneten Projekte ist mehr als lohnend.
Mehr davon
Es war eine insgesamt mehr als gelungene Veranstaltung. Wir sind uns nicht sicher, wie wirkungsvoll das Begleitprogramm des Preises ist. Aber zumindest macht er beeindruckende Ideen sichtbar, die sichtbar gemacht werden müssen. Denn sie zeigen uns, wie die Wirtschaft der Zukunft aussehen kann – und muss. Chapeau! Wir sind begeistert und wünschen den Preisträger:innen alles Gute und viel Erfolg.
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