Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Soloselbstständigen und hybrid Erwerbstätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft erschienen

Wir hatten bereits im Oktober über die ersten Ergebnisse berichtet. Nun liegt die endgültige Studie vor, die von der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft des BMWK beauftragt und vom Forschungsinstitut Prognos erstellt wurde.

Daher sind weder die endgültigen Befunde noch die Handlungsempfehlungen wirklich überraschend. Wir werden hier die Studie und ihre Resultate zunächst vorstellen, um im Anschluss unsere eigenen Erkenntnisse darzulegen.

Anliegen und Methodik der Studie

Soloselbstständigkeit und hybride Erwerbstätigkeit sind in der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) weit verbreitet. Soloselbstständige arbeiten ohne Angestellte, hybrid Erwerbstätige kombinieren selbstständige und angestellte Tätigkeiten. Diese Arbeitsformen bieten Flexibilität, bergen aber finanzielle Unsicherheiten, insbesondere hinsichtlich Einkommen und sozialer Absicherung. Die Corona-Pandemie hat diese Herausforderungen verstärkt. Die »Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft« der Bundesregierung unterstützt die Branche seit 2007. Dennoch fehlt eine umfassende Datengrundlage zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Betroffenen. Die Studie soll eine empirische Basis liefern und Handlungsempfehlungen ableiten.

Die Untersuchung basiert auf einer Analyse des Mikrozensus und der Künstlersozialkasse (KSK), einer Online-Befragung von 1.600 Soloselbstständigen und hybrid Erwerbstätigen sowie Experteninterviews und Fachgesprächen.

Bedeutung der Soloselbstständigkeit in der KKW

2022 waren von 1,8 Mio. Soloselbstständigen in Deutschland 562.000 in der KKW tätig – etwa ein Drittel aller Soloselbstständigen. Ihr Anteil an den Erwerbstätigen in der KKW lag bei 13 % und damit dreimal höher als in der Gesamtwirtschaft. Seit 2012 ist die Zahl der Soloselbstständigen rückläufig, besonders während der Corona-Pandemie. Gleichzeitig nahm die Zahl der abhängig Beschäftigten in der KKW zu. Auch hybride Erwerbstätigkeit spielt eine bedeutende Rolle: 2022 waren 40 % der 100.000 hybrid Erwerbstätigen in Kultur- und Kreativberufen tätig. Diese Form der Erwerbstätigkeit gewinnt nach pandemiebedingtem Rückgang wieder an Bedeutung. Soloselbstständige in der KKW sind häufiger älter als 55 Jahre (37 % vs. 26 % Gesamtwirtschaft) und haben überdurchschnittlich oft einen Hochschulabschluss (60 % vs. 33 %). Männer sind mit 61 % häufiger soloselbstständig als Frauen.

Wirtschaftliche Situation

Die Einkommenssituation ist heterogen: 25 % der Soloselbstständigen verdienen weniger als 1.000 Euro netto pro Monat, 20 % über 3.000 Euro. Frauen arbeiten seltener in Vollzeit (32 % vs. 56 % bei Männern), was sich negativ auf ihr Einkommen auswirkt. Über 60 % der Befragten haben mehrere Einkommensquellen, jede*r Fünfte ist hybrid erwerbstätig, um die soziale Absicherung zu verbessern. Hybrid Erwerbstätige verdienen durch ihre angestellte Tätigkeit meist mehr als Soloselbstständige. Viele beziehen Einkommen aus Honoraren, Bildungsangeboten und Urheberrechten; Kunst- und Kulturförderung ist eine wichtige Einnahmequelle.

Trotz einzelner hoher Einkünfte bleibt das Durchschnittseinkommen niedrig: Der Median des Jahresarbeitseinkommens bei Vollzeit-Soloselbstständigen liegt bei 18.750 Euro (Designmarkt: 18.000 – 24.000 Euro). Fast 50 % verdienen weniger als 15.000 Euro jährlich, was unter der Armutsgrenze für Alleinlebende liegt. Frauen verdienen im Schnitt 15 % weniger als Männer, bei Vollzeit sogar 24 % weniger. Das gewichtete Haushaltsbruttoeinkommen lag 2023 im Median bei 24.375 Euro. Hybrid Erwerbstätige bewerten ihre wirtschaftliche Lage häufiger als gut (35 %) als Soloselbstständige (25 %).

Soziale Absicherung und Altersvorsorge

Zwei Drittel der Befragten sind über die KSK kranken- und rentenversichert. Viele erfüllen jedoch die Zugangsvoraussetzungen nicht oder verdienen zu wenig. Die Rentenvorsorge ist oft unzureichend: Der eigene monatliche Beitrag zur Rentenversicherung beträgt im Median 150 Euro, private Altersvorsorge leisten nur 40 %. Mehr als die Hälfte gibt an, sich aus finanziellen Gründen keine zusätzliche Vorsorge leisten zu können. 80 % erwarten eine unzureichende Rente. Jede*r Zehnte – vor allem unter 35-Jährige – ist gar nicht rentenversichert. 40 % der Befragten haben keinerlei finanzielle Rücklagen für das Alter. Männer verfügen im Median über höhere Ersparnisse (70.000 Euro vs. 50.000 Euro bei Frauen).

Handlungsfelder und Empfehlungen

Die Studie identifiziert fünf zentrale Handlungsfelder:

  1. Verbesserung der wirtschaftlichen Situation
    • Einführung von Honorar-Mindeststandards als Fördervoraussetzung
    • Transparente Kalkulationsstandards für angemessene Honorare
  2. Ausbau der sozialen Sicherung
    • Förderung frühzeitiger Altersvorsorge
    • Erleichterter Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung
  3. Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheiten
    • Erhöhung der Sichtbarkeit von Künstlerinnen
    • Familienfreundliche Förderkonditionen
  4. Weiterentwicklung von Wirtschaftsförderung und Kunstförderung
    • Stärkung technologiefester Urheberrechte
    • Ausbau bedarfsorientierter Förderprogramme
  5. Berufseinstieg und Qualifizierung
    • Integration unternehmerischer Inhalte in Ausbildung und Studium

Fazit der Studie

Soloselbstständige und hybrid Erwerbstätige sind essenzielle Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft, jedoch oft finanziell und sozial unzureichend abgesichert. Verbesserte Förderstrukturen, soziale Sicherungsmaßnahmen und gezielte Qualifizierungsangebote könnten ihre Situation nachhaltig stabilisieren.

Fazit der AGD

Wie wir schon in unserem Beitrag im Oktober berichteten, reiht sich diese Studie ein in die Reihe all der vielen Studien, die das Bundeswirtschaftsministerium zum Thema so in Auftrag gegeben hat. Daher sind ihre Ergebnisse weder besonders bemerkenswert noch überraschend. Wir haben auch ein paar Ideen und Empfehlungen, womit sich künftige Studien beschäftigen sollten, um brauchbare Impulse an die zu geben, die die Rahmenbedingungen schaffen für Kreative:

  • Welche Faktoren führen zu finanzieller Stabilität in der KKW?
  • Wie können faire Vergütungsmodelle (z. B. Mindesthonorare) wirksam umgesetzt werden?
  • Welche neuen Einkommensquellen (z. B. Crowdfunding, digitale Geschäftsmodelle) sind zukunftsfähig?
  • Wie können Anreize für eine frühzeitige Altersvorsorge geschaffen werden?
  • Welche Modelle für eine bessere soziale Absicherung von Soloselbstständigen gibt es international?
  • Welche Auswirkungen hat der Einsatz von KI auf kreative Berufe?
  • Welche Kompetenzen werden in Zukunft für Soloselbstständige besonders wichtig?
  • Wie kann die dafür notwendige Weiterbildung ggf. finanziell unterstützt werden?
  • Wie können digitale Plattformen fairer gestaltet werden?
  • Welche Förderprogramme haben langfristig zur Stabilisierung der KKW beigetragen?
  • Wie können Förderungen zielgerichteter gestaltet werden?
  • Welche Alternativen zu projektbasierten Förderungen gibt es?

Ein Forschungsinstitut könnte aus unserer Sicht gezielt an diesen Themen arbeiten, um praxisnahe Lösungen für eine stabilere, fairere und zukunftsfeste Kultur- und Kreativwirtschaft zu entwickeln. 

Fortbildungen

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