Neulich in der Alten Münze in Berlin: »Zukunft unternehmen« | 1-Tages-Kongress vom KreativBund

Montagmorgen fällt der erste Schnee in diesem Winter, wir stiefeln zur «Alten Münze» in Berlin-Mitte. Hier wurden DDR-Mark, D-Mark und Euro-Münzen geprägt, der Fokus der Veranstaltung liegt auf der Wertschöpfung.

Die Moderatorin Claudia Brüninghaus adressiert die Teilnehmer:innen als Leute, «die wissen, wie’s geht und nachfragen, wenn sie was nicht wissen». State of the art also, kreativ, zukunftsoffen, selbstbewusst. Dieser Tag, heißt es, sei als Einladung zu verstehen herauszufinden, was der Kreativbranche fehlt.

Das Wichtigste geschieht immer in den Pausen

Christoph Backes (KreativBund) bringt auf den Punkt, was sich nachmittags im «Inspirational Talk IV – Medienkompetenz als Schlüsselressource» herauskristallisieren wird: Die Akteur:innen der Branche können einen Auftakt machen, indem sie ein Zusammenkommen ermöglichen. «Kuratierte Formate» stiften einen Anlass, um neue Verbindungen anzuregen. Ob Funken schlagen, entscheidet sich im Zufall, im Dazwischen, im Vis-à-vis: «In der Wartschlange vorm Büffet». Soweit nicht neu, aber richtig.

Auftritt Wolfgang Weimer, derzeit Staatsminister für Kultur und Medien. Er zitiert Goethe, beschwört deutsche Tugenden (Aufklärung, Neugier, Tüftlertum) und bezeichnet die Leistungen der Kreativbranche als «informelle Infrastruktur» einer Gesellschaft. (Wir blicken auf Brücken und Bahnverbindungen.)

Auf dem Panel «Creative Tech als Standort- und Wettbewerbsfaktor» skizzieren die Diskutierenden das Nebeneinander von langfristigen Wertschöpfungsstrategien und kurzfristig Social-Media-Strategien. Sie verbreiten den für die Branche typischen Optimismus und setzen auf hybride Formate, etwa hybride Adventskalender, sie schildern Produktentwicklungen, die auf KI-basierten Nutzerbefragungen basieren.

Das Fazit formuliert einen unbescheidenen Anspruch: Es gelte, das Urheberrecht zu stärken und das Label ««Made in Germany» wieder zum Leben zu erwecken. Die Devise lautet: Kreativität plus Wertschöpfung.

Die KI-Expertin Tina Klüwer erklärt uns in einer Keynote die Kluft zwischen Selbstbild uns Statistik. So innovativ wie vermutet oder erhofft, ist Deutschland längst nicht mehr. Sie diagnostiziert: Deutsche Akteur:innen seien gut in der Forschung. Und kaum präsent, wenn es darum geht, Neuerungen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

Keiner wird’s alleine lösen – oder: Wie entstehen Beziehungen?

Wir schlendern in die ehemalige Verpackungshalle zum Panel «Medienkompetenz als Schlüsselressource». Vier Netzwerk-Expert:innen – Dominik Gross (Founders Foundation), Jeannine Koch (medianet berlinbrandenburg), Sabine Hansky (Munich Urban Colab) und Stefanie Molthagen-Schnöring (UNITE, HTW Berlin) – schwören auf einen neuen Begriff ein. Was Netzwerk war, soll nun «Ökosystem» sein. Die Magie der Pause heißt Serendipity. Der Fokus: Wertschöpfung.

Zehn «Startup Factories» sollen seit Juli 2025 dafür sorgen, dass das Vertrauen auf den «glücklichen Zufall» nicht überstrapaziert wird. Die Factories fördern und befeuern die Kooperation von etablierten Unternehmen & Startups, von Forschung & Produktentwicklung. Mehr hier: https://startup-factories.de5

KI wird nicht müde

In der Kaffeepause fragt man sich: Wieso hält ein Krimi-Schriftsteller hier eine Keynote? Auftritt Marc Elsberg, der Tacheles redet. Von Pausen-Magie oder KI-Potentialen will er nichts wissen («ein Missverständnis»). KI werde nicht müde, könne verbinden und Kreativität simulieren – «nicht kreativ sein, kann die KI gut» – und konservative Erwartungen bedienen. Da, so Elsberg, die meisten Auftraggeber:innen und Rezipienten konservative Lösungen bevorzugten, werde ein Großteil der bezahlten Arbeit in der Kreativ- und Designbranche an die KI verloren gehen. KI stelle die Frage nach Wohlstandsbeschaffung & Wohlstandsverteilung, konkret: «Wie können Einkommen erhalten bleiben und wie kommen alle mit?»

Wir atmen auf. Eine solidarische Perspektive auf den Wertschöpfungs-Ökosystem-Kosmos in der neuen Alten Münze. Eine Antwort auf die Frage, was der Branche fehlen mag.

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