Warum junge Designer:innen gehen müssen – und was es mit dem Label ItsnotAI auf sich hat

Generative KI verändert die Designbranche rasant – und trifft vor allem junge Gestalter:innen. Routinejobs fallen weg, während Erfahrung und konzeptionelle Stärke wichtiger werden. Parallel sorgt das neue Zertifikat ItisnotAI für Diskussionen: Sollten wir Werke kennzeichnen, die ohne KI entstanden sind? Ein Blick auf Chancen, Risiken und die Zukunft des Designs. Ein Bericht vom Septembertreffen des KI-Beirats.

Generative KI hat die Designbranche in Rekordzeit verändert. Was für viele zunächst wie ein weiteres digitales Werkzeug klang, ist inzwischen ein mächtiger Beschleuniger und verändert Arbeitsstrukturen, Rollenbilder und Karrierewege in Agenturen tiefgreifend. Im Septembertreffen des KI-Beirats wurde deutlich: Vor allem junge Gestalter:innen verlieren gerade ihre Jobs. Außerdem sorgt ein neues Zertifikat namens ItsNotAI für Gesprächsstoff.

KI beschleunigt Routine und macht Juniorjobs überflüssig

Viele Kreative berichten, wie sehr Tools wie Midjourney, DALL·E, Photoshop »Generative Fill« oder Illustrator-Features den Alltag verändern. Aufgaben wie Freistellen, Retusche, Bildanpassungen oder schnelle Layout-Varianten, die früher Stunden dauerten, sind heute in Minuten erledigt. Werbeposter, Plakate oder Anzeigen können mit KI-Unterstützung in Rekordzeit produziert werden.

Was nach Effizienz klingt, hat eine Schattenseite: Die klassischen Einstiegsjobs fallen weg. Früher übernahmen Junioren Bildrecherche, Reinzeichnung oder einfache Entwürfe, um sich einzuarbeiten und Erfahrung zu sammeln. Heute erledigt KI diese Routinearbeiten zuverlässig und kostengünstig. Für den Nachwuchs bleibt damit weniger Raum, den Beruf von Grund auf kennenzulernen und sich innerhalb eines Teams zu etablieren.

Erfahrung schlägt Tool-Wissen

Überraschend für viele ist die Beobachtung, dass nicht die älteren Designer:innen gehen müssen, sondern die jüngeren. Ein Grund dafür liegt in der Erfahrung: KI kann zwar generieren, aber nicht zuverlässig bewerten, ob ein Entwurf markengerecht, ästhetisch überzeugend oder strategisch passend ist. Diese Urteilskraft entwickeln Gestalter:innen erst mit den Jahren, und sie ist durch keine noch so ausgefeilte Prompt-Technik zu ersetzen. Erfahrene Designer:innen nutzen KI als Werkzeug, das sie steuern und kritisch kuratieren, statt sich blind auf die Ergebnisse zu verlassen.

Hinzu kommt das Wissen um Marken und Prozesse. Kund:innen erwarten Beratung, Konzeptstärke und Fingerspitzengefühl. Wer seit Jahren Kundenbeziehungen pflegt und komplexe Designprojekte steuert, hat einen Wert, den KI nicht ersetzen kann. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten spielen außerdem rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle: Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeit haben besseren Kündigungsschutz und werden daher oft gehalten, während neue Mitarbeitende bei Kostendruck zuerst gehen müssen.

Eine weitere Ursache ist die Ausbildung. Hochschulen und Berufsschulen reagieren zu langsam auf die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung. Curricula sind häufig veraltet, und viele Lehrende sind selbst nicht tief genug im Thema KI verankert. Prompting, Workflow-Design oder unternehmerisches Know-how werden selten systematisch vermittelt. Dadurch kommen junge Menschen mit einem Kompetenzprofil in den Beruf, das den aktuellen Anforderungen nicht mehr genügt. Die Diskussionsteilnehmer:innen waren sich einig: Wenn Nachwuchskräfte keine Chance mehr bekommen, praktische Erfahrung aufzubauen, droht mittelfristig ein Kompetenzloch in der Branche.

Ein neues Label sorgt für Diskussion: ItsNotAI

Parallel zu diesen Veränderungen taucht ein spannendes Experiment auf: das Zertifikat ItsNotAI aus Zürich. Statt KI-gestützte Werke zu kennzeichnen, dreht es den Ansatz um: Menschlich erstellte Arbeiten sollen ein Siegel erhalten. Kreative laden ihre Werke auf einer Plattform hoch, eine Software prüft, ob darin KI-Anteile erkennbar sind, und nur wenn das Werk als vollständig »menschen­gemacht« eingestuft wird, darf es das Label tragen. Ziel ist es, Auftraggebern und Publikum Transparenz zu geben – praktisch so eine Art Bio- oder Fair-Trade-Siegel.

Begeisterung? Skepsis!

Die Reaktionen auf diese Idee fallen gemischt aus. Manche finden den Ansatz spannend, weil er Autorschaft sichtbar macht und möglicherweise auch für rechtliche Fragen rund um Urheberrecht und Deepfakes relevant werden könnte. Andere bleiben skeptisch. Unklar ist vor allem, was »KI-frei« überhaupt bedeutet. Zählt schon eine Smartphone-Kamera mit integrierter KI-Optimierung? Darf Photoshop zum Retuschieren verwendet werden? Solche Fragen machen deutlich, wie schwer eine trennscharfe Definition ist.

Auch die Vorstellung, dass ein Werk ohne KI automatisch hochwertiger sei, wird kritisch gesehen. Handgemachte Gestaltung kann genauso schlecht sein wie eine KI-generierte – und umgekehrt kann KI helfen, exzellente Ergebnisse zu erzielen. Zudem zweifeln viele daran, dass Auftraggeber:innen bereit wären, für ein »KI-frei«-Label mehr zu bezahlen. In der Praxis zähle vor allem, ob das Design funktioniert, die Marke transportiert und die Zielgruppe erreicht – nicht, wie es entstanden ist.

Viele sehen ItsNotAI daher eher als Testballon. Es geht darum herauszufinden, ob sich eine solche Zertifizierung gesellschaftlich oder wirtschaftlich etablieren und ob Kund:innen überhaupt Interesse an der Unterscheidung zwischen KI-gestützten und rein menschlich erstellten Werken haben. Momentan wirkt das Projekt eher forschend als marktreif. Daher wird der KI-Beirat die Macher des Labels zu seinem nächsten Treffen einladen, um weiterzureden.

Zwischen Handwerk, KI und neuer Ausbildung

Das Gespräch zeigt: Design bleibt ein Handwerk – aber die Werkzeuge ändern sich radikal. Wer bestehen will, braucht künftig weniger Fingerfertigkeit für manuelle Routine und mehr Konzeptstärke, Urteilskraft und strategisches Denken. Gleichzeitig müssen Ausbildungsstätten schneller reagieren und Studierende so vorbereiten, dass sie KI-gestützte Prozesse beherrschen und gleichzeitig die gestalterische Qualität sichern können.

Beim Thema Kennzeichnung zeichnet sich noch kein klarer Standard ab. Ob ein Label wie ItsNotAI langfristig Bedeutung erlangt, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch: Die Diskussion um Transparenz, Autorschaft und Qualität wird die Branche weiter beschäftigen – und könnte neue Maßstäbe dafür setzen, was »gutes Design« in einer KI-geprägten Welt bedeutet.

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