Digitalgipfel der Bundesregierung 2024

Auf dem diesjährigen Digital-Gipfel am 21. und 22. Oktober in Frankfurt am Main hatte die Bundesregierung unter dem Motto „Deutschland Digital – Innovativ. Souverän. International“ zu Gesprächen und Diskussionen geladen, und wir waren dabei.

Mit über 1.800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik wurde auf mehreren Foren und Podien über die großen Zukunftsthemen wie digitale Innovation, digitale Souveränität und internationale Zusammenarbeit geredet, diskutiert und gestritten. Das Ganze am 21. und 22. Oktober in Frankfurt und immer im Spannungsfeld zwischen der Wiederholung des ewig Gleichen und hundertmal Gehörten und den spannenden Kontroversen, die Hoffnung gaben, dass es doch mal wieder einen vernünftigen öffentlichen Diskurs gibt.

Der erwartbare Auftakt

Wenn zwei Bundesministerien zum Digitalgipfel laden, können wir davon ausgehen, dass die jeweiligen Hausherren das Publikum begrüßen und willkommen heißen. Dies taten denn Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, und Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, auch. Volker Wissing schwor uns auf die Erfolge seiner Digitalstrategie ein und bezeichnete Deutschland mit Verweis auf das e-Rezept und die online KFZ-Zulassung doch glatt als »digitales Vorbildland«. (Die Belege für meine Steuererklärung habe ich zwei Tage später als ausgedruckten Papierberg ans Finanzamt geschickt.)

Er wies darauf hin, dass Deutschland laut OECD weltweit führend in der KI-Forschung sei und dass es nicht nur deshalb eine innovationsfreundliche (Nicht-)Regulierung brauche, und nutzte die Veranstaltung, um die »Digital Only Strategy« des Landes auszurufen. (Darauf wies ich das Finanzamt im Anschreiben zum Papierberg hin.) Aber der Fairness halber sei erwähnt, dass er uns auch auf den »Hiroshima Process International Code of Conduct for Organizations Developing Advanced AI Systems« aufmerksam machte, der in seiner Präambel ausführt:

»On the basis of the Hiroshima Process International Guiding Principles for Organizations Developing Advanced AI systems, the Hiroshima Process International Code of Conduct for Organizations Developing Advanced AI Systems aims to promote safe, secure, and trustworthy AI worldwide and will provide voluntary guidance for actions by organizations developing the most advanced AI systems, including the most advanced foundation models and generative AI systems (henceforth »advanced AI systems«).«

Ein guter Ansatz aus unserer Sicht.

Herr Habeck sprach im Anschluss und ließ es zunächst launig angehen: »Beim Digitalgipfel klappt die Zusammenarbeit in der Regierung. Bombe!« Damit hatte er die Gutgelaunten auf seiner Seite. In der Folge kamen von ihm dankenswerter Weise die eher nachdenklichen Töne. Bei den Innovationen müssen wir uns auch ihm zufolge nicht verstecken, aber um unsere Souveränität (= Unabhängigkeit von den führenden Volkswirtschaften China und USA) ist es schlecht bestellt. Der Traum der 90-er Jahre »Alle reden friedlich auf privaten Plattformen miteinander« ist geplatzt. Deshalb muss die von Volker Wissing geforderte innovationsfreundliche (Nicht-)Regulierung mit dem Digital Service Act einen wertebasierten Rahmen unseres Handelns liefern. Der EU AI Act muss darauf einzahlen, dass Innovation möglich ist und Werte geschützt werden.

Ja, so kann es gut werden.

Beide Begrüßungsreden konnten indes über den schlechten Zustand unserer Regierung nur mäßig hinwegtäuschen.

KI in Kultur, Medien und Demokratie

Während des Digitalgipfels fanden stets mehrere Foren und Panels zeitgleich statt. Ging es dabei um Anforderungen, Wünsche und Erwartungen der Industrie zum Beispiel, fand man sich in großen, gut gelüfteten Räumen mit mäßigen Besucherzahlen und Präsentationen mit viel Luft nach oben wieder. Etwas anders lagen die Dinge bei dem in der Überschrift genannten Panel. Es fand im kleinsten, hoffnungslos überfüllten Raum ohne Fenster mit ausgeschalteter Lüftung statt. Es ging ja nur um die Demokratie.

Das Grußwort, das gleich mal die Hälfte der vorgesehenen Zeit für sich in Anspruch nahm, hielt Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, und stieg mal direkt mit dem Satz ein, den wahrscheinlich alle im Publikum von ihr hören wollten: »Künstliche Intelligenz ersetzt Kreativität und Kommunikation nicht.« Tosender Applaus und weiter sinkender Sauerstoffpegel. In Zeiten wie diesen fordert sie die Journalisten auf, verantwortungsvoll zu arbeiten, gründlich zu recherchieren, ihre Quellen genau zu prüfen und zu kennen, eigene sprachliche und redaktionelle Stile zu entwickeln, die sie klar auszeichnen vor Fake News, Hetze, Lüge und Manipulation. Auf gute journalistische Arbeit kommt es an, wenn wir künftig wieder eine informierte öffentliche Debatte führen wollen. Sprach’s und ließ uns gleich noch wissen, dass sie sich darüber mit der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft stets einig ist. Ungarn jedoch ließ sie dabei explizit außen vor. Die hier so notwendige Auseinandersetzung zu vermeiden, zeigt, dass wir noch ein bisschen Weg vor uns haben bis zur informierten öffentlichen Debatte. Zum Schluss hat Claudia Roth noch einmal einen entscheidenden Punkt gemacht: »Es wird Zeit, sich mit künstlicher Dummheit zu beschäftigen, damit KI menschliche Kreativität nicht zerstört.« Wie wahr.

Auf dem Panel, dem ohnehin nur bescheidene 30 Minuten blieben, war man sich zum Glück wieder fröhlich einig, das Publikum suchte auch nicht die Kontroverse. Daher hier keine weiteren Angaben dazu.

Ein Gipfel, der nichts auf die Spitze trieb

Man soll an eine solche Veranstaltung grundsätzlich nicht allzu hohe Erwartungen haben. Erst recht nicht, wenn sie von einer Regierung durchgeführt wird, die sich in politisch brisanten Zeiten nichts mehr zu sagen hat. Vielleicht sollte man froh sein, dass es nur diesen einen Gipfel gab. Bekanntlich fand der Industriegipfel gleich dreimal parallel statt. Aber abseits jeglicher Flachserei atmeten die zwei Tage die Ideenlosigkeit und Uninspiriertheit unserer politisch Verantwortlichen auf geradezu schmerzhafte Art und Weise. Jedes der Panel und Foren zeigte auf, dass wir von einer guten öffentlichen Debatte weit, weit entfernt sind. Denn sie lebt von dem, was Juli Zeh mit den Worten beschreibt: »Die Kontroverse sollte der Normalzustand sein«. Davon war in Frankfurt nicht allzu viel zu spüren.

Umso fahrlässiger, dass die Kreativschaffenden, die mit ihren spezifischen, einzigartigen Kompetenzen maßgeblich zu sinnvollen Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit beitragen könnten, in den kleinsten Raum ohne Fenster und mit ausgeschalteter Lüftung verbannt wurden. So wird das nichts mit den großen Zukunftsthemen wie digitale Innovation, digitale Souveränität und internationale Zusammenarbeit.

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