Pinkeln im Patriarchat
»Die Bugikultur kennt auch fünf verschiedene soziale Geschlechter. Diese fünf Geschlechter gelten als notwendig, um die Welt in Gleichgewicht und Harmonie zu halten. Dazu gehören Makkunrai (feminine Frau), Calabai (weiblicher Mann), Calalai (männliche Frau), Oroané (maskuliner Mann), und Bissu (letzteres verkörpert sowohl männliche als auch weibliche Energien (Hermaphrodit), verehrt als Schamane). Makkunrai und Oroané entsprechen dabei heterosexuellen Frauen und Männern, die sich jeweils ihren traditionellen Frauen- und Männerrollen gemäß verhalten. Calabai hingegen sind biologische Männer, die sich in Kleidung und Verhalten wie heterosexuelle Frauen benehmen, ohne jedoch körperliche Veränderungen an sich vornehmen zu lassen. Calalai sind biologische Frauen, die sich in Kleidung und Verhalten wie heterosexuelle Männer benehmen, ebenfalls ohne körperliche Veränderungen an sich vornehmen zu lassen. Alle Geschlechter werden als gegeben und natürlich betrachtet.«
[Wikipedia]
Rebekka Endler erwähnt die Bugis in dem Kapitel »Noch mal anders«, das sie unter anderem farbigen, behinderten und Trans-Menschen widmet. Einer von vielen erstaunlichen Fakten, wir lernen eine Menge aus diesem Buch.
Das Vorwort beginnt mit dem Satz »Es gibt diese Geschichte, wie eine alte Frau in Pompei mich einmal mit einem Wischmopp verdroschen und als ›puttana‹ beschimpft hat, weil ich auf dem Männerklo pinkeln war und mich nicht in die lange Schlange vor der Frauentoilette eingereiht hatte.« Das Pinkeln wird später im Buch eine zentrale Rolle spielen – im Zusammenhang mit der Gestaltung des öffentlichen Raums. Und es wird auch in dieser Rezension im Mittelpunkt stehen. Es zeigt sehr anschaulich, was die für Männer gemachte Welt für Frauen bedeuten kann: Wo wir in albernen Momenten erst einmal Pipi-Kacka-Witze im Kopf haben, geht es am Ende lebensgefährlich zu.
Rebekka Endler beginnt ihr Buch mit einem Exkurs über »Sprachkonstrukte«, das – erwartbar – das Gendern, aber auch nicht genannte Wissenschaftlerinnen zum Thema hat. Anschließend betreten wir den öffentlichen Raum und erfahren als erstes, dass es in unseren Städten viel mehr männliche als weibliche Bäume gibt. Waaas? Genau! Bei den zweihäusigen Bäumen produzieren die weiblichen Blüten und Früchte, die auf die Erde fallen. Arbeit für die Stadtreinigung. Die männlichen hingegen verbreiten einfach nur Pollen – und verursachen damit bei immer mehr Menschen Heuschnupfen. Wäre das Geschlechterverhältnis bei den Bäumen ausgeglichen, würden die weiblichen Bäume die Pollen neutralisieren. Früchte statt Heuschnupfen.
Wir erfahren außerdem, warum Bordsteinkanten nur für Autos abgesenkt werden und wie Stadtplaner Menschen in prekären Verhältnissen aus unserem Blickfeld drängen.
Anständige Frauen müssen nicht pinkeln, und für Männer ist es umsonst.
Geerte Piening, Studentin in den Niederlanden, findet nachts auf dem Heimweg von einer Feier keine öffentliche Toilette, die auch Frauen benutzen können, sondern lediglich einsehbare Pissoirs. Also sucht sie sich eine blickgeschützte Ecke. Die Polizei erwischt sie, sie soll 140 Euro Strafe zahlen. Piening recherchiert: »2015 gab es allein in der Amsterdamer Innenstadt 35 Plaskrul-Pissoirs und ganze zwei Sitzklos, von denen sich das nächste mehr als eineinhalb Kilometer von Pienings nächtlichem Standort entfernt befand.«
Eineinhalb Jahre später beschloss ein Richter: Piening muss zahlen. »Die Tatsache, dass keine einzige Toilette für Frauen in einem vergleichbaren Umkreis auffindbar war, interessierte dabei nicht. Weiterhin gab der Richter bekannt, dass er in seiner beruflichen Laufbahn noch nie auf eine Frau getroffen sei, die beim Wildpinkeln erwischt worden war, woraus er ableitete, dass es keine Notwendigkeit für mehr Frauentoiletten in der Öffentlichkeit gebe. Männer hingegen würden weitaus häufiger des Wildpinkelns überführt, was auf einen ›erhöhten Bedarf an Urinalen in der Öffentlichkeit‹ schließen ließe. Weiterhin argumentierte er, dass es ›zwar unbequem sein mag, Frauen jedoch die Urinale für Männer mitbenutzen« sollten.‹ Das bedeutet: Wenn Männer nicht in eine Toilette, sondern irgendwohin urinieren, dann deshalb, weil wir es ihnen dort noch nicht bequem genug eingerichtet haben. Wildpinkeln für den Infrastrukturwandel, jeder Strahl ein Marker für ein fehlendes Urinal. Doch eine Frau, die exakt das Gleiche tut, ist an der ihr zugewiesenen Rollenerwartung, sich an die vorgegebene Infrastruktur anzupassen, gescheitert.« Endler sieht hier die traditionelle Auffassung bestätigt, dass Frauen die totale Kontrolle über ihre Körperfunktionen haben. »Die anständige Frau weiß sich zu beherrschen.« Männer hingegen können einfach nicht anders.
Mit dem Bau von Kanalisationen begann man in unseren Breitengraden im 18. Jahrhundert. Auch erste öffentliche Bedürfnisanstalten entstanden. Für Männer, da sie im öffentlichen Raum die dominante Rolle spielten. »Natürlich gab es im öffentlichen Raum immer auch Frauen, aber diejenigen, die große Teile ihres Tages an der frischen Luft verbrachten, waren Mägde, Marktfrauen, Kindermädchen – Frauen niederen Standes, deren Wohlergehen, Gesundheit und Sicherheit nicht auf der Agenda der Stadtplaner standen. Für die Ehefrauen und Töchter der wichtigen Männer geziemte es sich nicht, sich länger als für die Distanz von A nach B in der Öffentlichkeit aufzuhalten.«
An den armen Frauen und ihren Bedürfnissen war nichts zu verdienen. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert änderte sich das. Die Fabriken brauchten Arbeiterinnen, und so wurden für Frauen Toiletten gebaut. In den Ford-Werken in den USA auch Urinale, so genannte Femurinals. So konnten die Frauen ihr kleines Geschäft zügig erledigen und wieder an die Arbeit gehen.
Bettina Möllring, Professorin für Industriedesign in Kiel, hat zur Geschichte der öffentlichen Toilette promoviert. Und ihrerseits ein Urinal für Frauen entwickelt: die »Kleine Ecke«. Sie sollte zentrale Probleme lösen wie zu wenige Klos für Frauen und Hygieneprobleme bei Sitzklos. Es regnete Preise und mediale Aufmerksamkeit – aber produziert und eingesetzt wurde das Urinal nie. Zum letzten Mal im großen Stil diskutiert wurden Urinale auf Frauentoiletten ab 2017 in Berlin. Das Thema wurde hitzig und unter Einsatz zahlreicher Halbwahrheiten verhandelt. 2020 wurden dann rund 100 neue barrierefreie Toiletten errichtet. Ohne Urinale. Berlin hat damit fast 350 öffentliche Toiletten. Benutzung: 50 Cent. Pissoirs zu benutzen, ist weiterhin umsonst.
[Die Rezensentin empfiehlt zur Weiterbildung den langen Artikel über Frauenurinale bei Wikipedia. Und zum Finden von Toiletten die App »Flush Toilet«]
Ohne Toiletten leben Frauen gefährlich
In den Niederlanden kann das Pinkeln im öffentlichen Raum eine Frau 140 Euro kosten. In vielen Teilen der Welt ist der Preis viel höher. Rebekka Endler schreibt: »Weltweit haben jede dritte Frau und jedes dritte Mädchen im Alltag keinen Zugang zu einer sicheren Toilette, und neben dem offensichtlichen Problem macht sie die Suche nach einem geschützten Platz angreifbar für sexuelle Gewalt. Indien schneidet im weltweiten Vergleich besonders schlecht ab, eine Studie von 2016 ergab, dass Frauen ohne Toilettenzugang doppelt so häufig Opfer sexueller Gewalt werden, die nicht vom eigenen Partner ausgeht, wie Frauen mit Klo. Der gemeinnützige Verein WaterAid schätzt, dass weltweit Frauen und Mädchen ohne Zugang zu einer Toilette mehr als 97 Milliarden Stunden jährlich mit der Suche nach einem Platz für ihre Notdurft verbringen. Das ist fast doppelt so viel Zeit, wie alle Menschen weltweit im ganzen Jahr 2019 auf Netflix verbracht haben (51 Milliarden Stunden). Bedeutet: Auf jede Stunde, die ich abends im Bett gemütlich Gilmore Girls gucke, kommen etwa eine Stunde und 50 Minuten, die eine Frau oder ein Mädchen auf der Suche nach einem Ort für ihre Notdurft verbringt …«
Ihre »Notdurft« zu verrichten, kann Menschen also wirklich in Not bringen. Vor allem weibliche Menschen, aber zum Beispiel auch solche, die auf barrierefreie Toiletten angewiesen sind. Ein Problem, das erst einmal fast banal wirkt, erweist sich am Ende als ein großes und komplexes. Eine Erkenntnis, die sich wiederholen wird in diesem Buch.
So wie eine weitere: Oft, wenn es um patriarchales Design und patriarchale Strukturen geht, geht es auch um Kapitalismus. Das nächste Kapitel ist ein gutes Beispiel dafür. Es heißt »Konsumtempel«.
Öffentliche Räume, für Frauen gemacht. Als erstes eröffnete das »Selfridges« 1909 in London. Eine Erlebniswelt, in der Frauen nicht nur shoppen konnten. Es gab Teestuben, Frisiersalons, Theater, Musik, jeden Luxus und Kinderbetreuung. Hierhin ging die bürgerliche Frau ohne männliche Begleitung, gab Geld aus – und erwies der Wirtschaft einen Dienst.
Wie DELL den rosa Computer erfand
Von »Dingen« im eigentlichen Sinne, nämlich Produkten, handelt das Kapitel »Pink it, shrink it«. Die Autorin, bekennender Fan der »Gilmore Girls«, ist entsetzt, dass Mutter Lorelai ihrer Tochter Rory einen »pinken, mit Federn und Glitzer unkenntlich gemachten Minihammer« schenkt. [Die Rezensentin muss daran denken, dass in Teilen der USA für Mädchen sogar pinke Feuerwaffen angeboten werden.]
Exemplarisch für »pink it« und sehr lustig zu lesen, ist die Geschichte über die Entwicklung des Notebooks für Frauen »Della« im Jahr 2009 durch die Firma DELL: klein, pastellfarben und über die Website des Anbieters zu bestücken mit Software für den Alltag. Zum Beispiel, um Rezepte zu speichern und auszutauschen. Ein mächtiger Flopp! Und sehr peinlich. DELL nahm »Della« nach drei Wochen vom Markt. Noch immer stehen im Netz herrliche Verrisse.
Gendern bis die Kasse klingelt
Und damit kommen wir zu dem Phänomen »Gender Marketing«. Dinge, die eigentlich neutral sind, werden aus Marketing-Gründen und mit Marketing-Mitteln einem Geschlecht zugeordnet. Mit aus weiblicher Sicht unschönen Folgen. Nach der Beschreibung eines Kugelschreibers, der durch das Hinzufügen von rosa Glitzer weiblich wird, stellt Endler fest:
»Das Resultat ist eine implizite Etablierung des ungegenderten Produkts als das männliche und damit das ›normale‹, was Frauen wiederum als Sonderfall inszeniert. Ein weiteres Beispiel dafür ist das Marketing beim Überraschungsei. Über 30 Jahre lang gab es nur eines, das ganz normale Ü-Ei, dann entschied Ferrero 2012, die Produktpalette um ein weiteres, ein rosa Ü-Ei speziell für Mädchen, zu erweitern, was automatisch zur Folge hatte, dass das ›klassische Ü-Ei‹, wie es auf der Website heißt, zum Jungen-Ü-Ei wurde.«
Rebekka Endler
[Die Rezensentin erlaubt sich einen Exkurs und fragt: Ist das nicht ein Grund, auch in der Sprache auf das Gendern zu verzichten. Ein Beispiel: Menschen welchen Geschlechts werden mit dem Wort »Teenager« bezeichnet? Richtig, alle. Was passiert, wenn wir jetzt »Teenagerinnen« lesen müssen? Exkurs Ende.]
In den folgenden Abschnitten widmet sich Endler der Hausarbeit, der handwerklichen Arbeit, der jeweiligen Geschichte und Gestaltung von Geräten und schreibt richtig und wortschöpferisch: »Die Extrawurstisierung von Mädchen und Frauen als reiner Marketing-Stunt ist also kontraproduktiv. Denn es zieht etwas ins Lächerliche, das wir an vielen (anderen) Stellen dringend brauchen und fordern: Dinge, die passend für uns gemacht sind.«
Mädels und Mathe
Dass Computer eher mit Männern in Verbindung gebracht werden als mit Frauen, hat ebenfalls viel mit Gender-Marketing zu tun. Und nichts mit den Anfängen der Programmierung. Aus der technisch nicht umsetzbaren Rechenmaschine des britischen Mathematikers Charles Babbage entwickelt seine Kollegin Ada Lovelace 1843 die erste Programmiersprache, weil sie schon damals das Potenzial eines Computers erkannte. Den Universalrechner ENIAC programmierten während des 2. Weltkriegs Frauen im Auftrag der Armee, um die Berechnungen für die Steuerung von Bomben präziser zu machen; ihre Arbeit schuf die Basis für die Funktionalität aller modernen Computer. Und auch die NASA beschäftigte in den 60ern zu Vorbereitung der Mondlandung Mathematikerinnen. 1969 schrieb Margaret Hamilton den Code, der Apollo 11 die Mondlandung ermöglichte. Doch als das Programmieren prestigeträchtiger wurde, verdrängten die Männer die Frauen: Aktuell werden sowohl in den USA als auch in Deutschland nur 20 Prozent der Informatikabschlüsse von Frauen absolviert. Und noch 2009 hielt es die Firma DELL für eine gute Idee … ach, lassen wir das.
Gefühlte Kälte, Risiken und Nebenwirkungen
Wer den Wetterbericht von Donnerwetter studiert, weiß dass die gefühlte Temperatur für Frauen fast immer niedriger ist als für Männer. Das gilt auch für die Temperatur um Büro. Als jedoch in den 60er Jahren der Standard für das Einstellen von Klimaanlagen festgelegt wurde, richtete dieser Standard sich ausschließlich nach Don Draper, einem 40 Jahre alten und 70 Kilo schweren Mann und seinen Bedürfnissen. Frauen brauchen Studien zu Folge 3,1 bis 5 Grad Celsius mehr, um sich wohlzufühlen. Und nicht nur wohlzufühlen: »… Es geht hier um mehr als frieren. Kreative Arbeit, lernen, sprechen, denken, alle intellektuellen Fähigkeiten sind quasi auf Eis gelegt, wenn Menschen frieren, da der Körper seine Ressourcen schont und in den Rumpf umleitet, wo außer dem Gehirn alle lebenswichtigen Organe arbeiten (und sogar die Gehirnfunktion wird runtergefahren). Es ist also nicht nur der weibliche Körper, sondern auch die weibliche Produktivität, die leidet. Und es betrifft nicht nur Frauen, denn bei allen Menschen sinkt im Laufe des Lebens das MET, was nichts anderes bedeutet als: Je älter wir werden, desto eher ist uns kalt.« Ein befremdlicher Gedanke: Die Privilegierten bremsen die Konkurrenz über die Klimaanlage aus. Und schaden der Umwelt: Weltweit gehen 20% des in Gebäuden verbrauchten Stroms für Klimaanlagen und Ventilatoren drauf.
Weil Crash Test Dummies lange Zeit ausschließlich nach männlichem Vorbild gefertigt wurden, werden Frauen bei Autounfällen eher verletzt. Weil in medizinischen Lehrbüchern nur die Symptome von Herzinfarkten bei Männern beschrieben werden, sterben Frauen unter 50 prozentual doppelt so häufig an einem Herzinfarkt wie Männer. Weil Medikamente lange Zeit ausschließlich an Männern getestet wurden, passen Inhaltsstoffe und Dosierung oft nicht für die Bedürfnisse von Frauen. Erst seit 2004 wird deutschen Pharmakonzernen empfohlen, Medikamente auch an Frauen zu testen. »Ironischerweise hat der in Kapitel 3 erwähnte Contergan-Skandal dazu beigetragen, dass die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) 1977 eine Anweisung herausgab, wonach ›gebärfähige Frauen‹ von frühen klinischen Prüfungen der meisten Arzneimittel auszuschließen seien. Dieser Anweisung haben Pharmakonzerne sich weltweit angeschlossen. Nicht nur Schwangere sollten ausgeschlossen werden, sondern einfach mal alle Frauen zwischen 18 Jahren und Menopause, zum Schutz des ungeborenen und in diesem Fall komplett ungezeugten Lebens. Es ging nie darum, Leben zu retten, sondern nur darum, Schadensersatzklagen vorzubeugen, auf Kosten von Frauen.«
Noch Fakten
- Profiradrennfahrerinnen sitzen auf Sätteln, die für Männer gemacht sind.
- Hollywood macht es wie das Marketing: Geschlechterklischees werden verstärkt.
- Die amerikanischen Suffragetten wären die ersten Frauen, die sichtbare Taschen auf ihre Kleidung nähten. Noch heute hat Kleidung für Männer mehr und größere Taschen.
- »75 Prozent des Personals im Pflege-und Gesundheitssektor sind weiblich, dennoch sind die Utensilien, Klamotten und Schutzvorrichtungen für einen männlich normierten Körper designt worden.«
- Bei Kinderkleidung verstärken sich seit 1990 die Rollenklischees dank Gender-Marketing.
- Die Geschichte der Autorenschaft begann mit einer Frau: der Sumererin En-ḫedu-ana.
- Das Konzept der Muse: Sie ist, er macht.
- 98 Prozent des Umsatzes im Kunsthandel wird mit Kunst von Männern gemacht. Für 25 Prozent des Geldes, das weltweit für Kunst von Frauen ausgegeben wird, ist allein die japanische Künstlerin Yayoi Kusama verantwortlich.
Das letzte Kapitel des Buches heißt »Nochmal anders« Es beschreibt Missstände, unter denen farbige, behinderte und Trans-Menschen leiden. Und es verstärkt die Erkenntnis, dass der weiße, normierte Mann das Maß aller Dinge ist. Im Schlusswort heißt es dann auch: »Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte das Buch ›Streifzüge durch eine Welt, die allen nicht-cis männlichen Wesen nicht passt‹ genannt, aber Sie wissen schon … der Buchhandel und so.«
Es geht ums Patriarchat in diesem Buch und sehr viel um Kapitalismus. Ein Zusammenhang, der oft diskutiert und selten bestritten wird. Rebekka Endler macht ihn sehr plastisch, und sie schärft die Wahrnehmung dafür, wie das alles unseren Alltag beeinflusst. Verbessert sie damit auch die Chancen, etwas zu verändern? Hoffentlich. Meist ist der Stil sehr erfrischend, manchmal sind die Formulierungen etwas tendenziös. Das steht im Gegensatz zur Wissenschaftlichkeit des Buches: 20 Seiten Quellenangaben würden so manchem Minister oder Bürgermeister (m/w/d) mit Doktortitel zur Ehre gereichen. Und das Buch ist nicht nur klug, sondern trotz der teils erschütternden Erkenntnisse auch amüsant. Besser kann über dieses Thema nicht schreiben.
Diese Rezension wurde von AGD-Mitglied Christina Sahr verfasst.
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