Frühschicht im Paul-Löbe-Haus

Früh aufstehen für gute Rahmenbedingungen: Beim Parlamentarischen Frühstück im Paul-Löbe-Haus diskutierten Verbände, Abgeordnete und DRV die Rolle von Selbstständigen als Fachkräfte und Standortfaktor. Auf der Agenda: Reform des Statusfeststellungsverfahrens, Einbezug in die Aktivrente, Kooperation mit der Mittelstandsallianz und die neue „AG Kultur“. Der Tenor: Konkrete Schritte, klare Zuständigkeiten – und ein langer Atem.

Wenn Bundestagskalender eng takten, beginnt Austausch am besten vor acht. Entsprechend trafen sich Verbände, Abgeordnete und Gäste bereits um 7:30 Uhr im Bedienrestaurant des Paul-Löbe-Hauses – dank kurzer Wege für viele MdB der ideale Ort. Organisiert hatte das Treffen Jörn Freynick; Schirmherr war MdB Dr. Markus Reichel (CDU), dessen Büro den Zugang zur Bundestagsverwaltung koordinierte. Pünktlich eröffnet, bei eingedecktem Frühstück, startete ein Format, das Dialog auf Augenhöhe und niedrige Hürden verbindet.

Selbstständige als Fachkräfte und Standortfaktor

In seiner Einführung setzte VGSD-Vorstand und BAGSV-Sprecher Andreas Lutz den Schwerpunkt: »Selbstständige als Fachkräfte und Standortfaktor«. Er zeigte anhand von IAB-Arbeitszeitstatistiken den deutlichen Rückgang der (hauptberuflich) Selbstständigen und benannte das dysfunktionale Statusfeststellungsverfahren als strukturelles Risiko für den Standort. Sein Appell: Selbstständige dürfen in der Fachkräftedebatte nicht länger übersehen werden. Konkrete Vorschläge lagen auf dem Tisch: Die im Koalitionsvertrag verankerte Reform des Statusfeststellungsverfahrens muss zum 1.1.2027 echte Rechtssicherheit schaffen. Die zum 1.1.2026 geplante Aktivrente soll Selbstständige einbeziehen. Altersvorsorgepflichten gehören mit einer Reform der Beitragsbemessung – auch in Kranken- und Pflegeversicherung – verknüpft; ein Altersvorsorgedepot für Selbstständige sollte zügig kommen. Zehn präzise Punkte zur Statusfeststellung umrissen, was »wirksam« bedeuten kann – kompakt in zehn Minuten.

Branchen stimmen ein

Wie sich die Problemlage konkret zeigt, machten Stimmen aus den Mitgliedsverbänden deutlich: AGD-Geschäftsführerin Victoria Ringleb berichtete aus Sicht unserer Branche, Marcus Pohl (isdv) aus der Veranstaltungswirtschaft, Elvira Iannone (BDÜ) für Übersetzerinnen und Dolmetscher, Helge Meyer (DBITS) für IT-Selbstständige und Jeanette Langner (BVIB) für Sprachlehrer:innen. Die Beispiele zeigten gemeinsam: Unsicherheit im Status hemmt Auftrag, Investition und Innovation.

Resonanz aus Fraktionen und Verwaltung

Im politischen Teil ergriffen u. a. Jens Peick (SPD), Lisa Paus und Prof. Armin Grau (beide Grüne) sowie Dr. Markus Reichel das Wort; anwesend waren außerdem MdB Nora Seitz (CDU) und Sandra Stein (Grüne). Zwei Vertreter:innen der Deutschen Rentenversicherung, Jürgen Ritter und Beate Matern, brachten die Verwaltungsperspektive ein. Notizen wurden viele gemacht, der Austausch war dicht. Ein gutes Signal für die weitere Arbeit.

Freundeskreis erneuert. Gespräch setzt sich fort.

Nach einer Fragerunde fasste Andreas Lutz zusammen: Deutschland braucht eine »Strategie für Selbstständige« nach Vorbild der Startup-Strategie – koordiniert über Ressortgrenzen, etwa im BMWE oder Kanzleramt, und begleitet von Kommunikation, die den Beitrag Selbstständiger sichtbar macht. Draußen entstand das Gruppenfoto; zugleich wurde der 2024 gegründete »Freundeskreis der Selbstständigen« erneuert und erweitert. Danach blieb Zeit für vertiefende Gespräche – die DRV war lange im Dialog.

Feedback und nächste Schritte

Im anschließenden Arbeitstreffen am Potsdamer Platz lobten Verbandsvertreter:innen Beteiligung und Atmosphäre. Realismus gehört dazu: Sofortlösungen liefert kein Frühstück. Aber Professionalität wächst mit jedem Termin, und die Anliegen bleiben präsent: über Gespräche, Petitionen und Aktionen, die die Betroffenheit vieler sichtbar machen.

Aus dem Rückblick wurden Pläne: stärkere Ansprache jüngerer Abgeordneter und solcher mit Nähe zur Selbstständigkeit; ein eigener Gesetzentwurf zur Reform der Statusfeststellung, eine praxistaugliche Definition »unternehmerischen Handelns«. Juristisch wurde sondiert, welche Schritte gegen einen Ausschluss Selbstständiger aus der Aktivrente möglich wären – bis hin zu einer verfassungsgerichtlichen Klärung, inklusive Finanzierung eines solchen Verfahrens.

Kooperation mit der Mittelstandsallianz

Ein weiterer Baustein: BAGSV und Mittelstandsallianz – koordiniert vom BVMW – besiegelten ihre Zusammenarbeit. Viele BAGSV-Verbände arbeiten dort bereits mit; auch der VGSD war zeitweise Mitglied. Die Kooperation bündelt Kräfte: gegenseitige Einladungen, gemeinsame Positionspapiere und Kampagnen, abgestimmte Kommunikation sowie regelmäßige Arbeits- und Strategietermine. Ziel ist, gemeinsamen Anliegen mehr Gewicht zu verleihen bei zwar unterschiedlichen Unternehmensgrößen, aber oft deckungsgleichen Themen.

»AG Kultur«: Kreative Anliegen bündeln

Zum Abschluss wurde innerhalb der BAGSV eine »AG Kultur« gegründet. Sie bündelt die Themen kreativer Berufe – von langen Aufnahmezeiten und brüchigen Verläufen in der KSK bis zu Folgen eines dysfunktionalen Statusfeststellungsverfahrens, das Auftraggeber zu (Schein-)Anstellungen drängt. Ebenso im Blick: der Wandel durch KI und der Bedarf an tragfähigen, fairen Antworten für kreative Arbeit. Im Gespräch zeichnete sich ab, dass Victoria Ringleb in ihrer Funktion als Vorsitzende des Beirates der Künstlersozialkasse hier eine zentrale Rolle einnehmen wird.

Fazit: Früh aufstehen lohnt, wenn es um gute Rahmenbedingungen geht. Das Parlamentarische Frühstück zeigte: Sachargumente, Branchenpraxis und konstruktive Vorschläge finden Gehör – und entfalten Wirkung, wenn Verbände gemeinsam, ausdauernd und lösungsorientiert auftreten.

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