Rosa Parks: Eine Frau mit Mut

»Rosa Parks: Eine Frau mit Mut« ist ein in Leichter Sprache verfasstes Buch. Sein Anspruch ist kein geringerer als: Politische Bildung und Menschenrechte. Für alle.

2018 führte die Universität Hamburg zum zweiten Mal die Level-One-Studie LEO durch. Sie untersuchte die Lese- und Schreibkenntnisse der Menschen in Deutschland. Das Ergebnis: 6,2 Millionen Menschen – 12,1 Prozent der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung (18-64 Jahre) – können kaum lesen und schreiben, weitere 10,6 Millionen – 20,5 Prozent – können es nicht gut; ihr Wortschatz bewegt sich auf Grundschulniveau. Zusammengenommen hat also ein Drittel der Bevölkerung erhebliche Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben.

Diese Zahl macht deutlich, warum wir Bücher in Leichter Sprache brauchen. Die Autorin Bettina Mikhail hat eines geschrieben, der AGD-Designer Martin Markwort hat es gestaltet; die beiden haben sich im Verbund Leichte Sprache Braunschweig zusammengeschlossen. Bettina Mikhail sagt über diese Kooperation:

Ich bin sehr froh, mit so einem kompetenten Grafikdesigner wie Martin Markwort zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit von Textern und Grafikern ist im Bereich der Leichten Sprache sehr wichtig. Man sieht noch viel zu häufig schlecht gestaltete Texte in Leichter Sprache. Es gibt noch nicht viele Grafiker, die sich mit Leichter Sprache auskennen. Dann kann der Text noch so gut sein – ‚falsch‘ umgesetzt, geht viel Verständlichkeit verloren und die Zielgruppe ist enttäuscht. Verständlichkeit kann man gestalten!

Sie selbst wurde angeregt, das Buch zu schreiben, als sie 2015 an dem Kongress „inklusiv politisch bilden“ in Berlin teilnahm.

Die teilnehmenden Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung wünschten sich mehr politische Bildung in Leichter Sprache. Das Interesse ist da, nur fehlt lesefreundliches Material. Dazu wollte ich einen Beitrag leisten.

Wir haben viel positives Feedback für das Buch bekommen. Beispielsweise wird es in Fortbildungen für Frauenbeauftragte in Werkstätten eingesetzt. Das finde ich toll, denn offenbar macht es den Frauen Mut – unsere Botschaft kommt an!

Herausgeberin des Buches ist der Verlag Buxus Edition der Buxus-Stiftung, die sich für Menschenrechte einsetzt.

Worum geht es?

Rosa Parks ist eine Ikone der schwarzen Menschenrechtsbewegung in den USA. Sie weigerte sich 1955 in einem Bus ihren Platz für eine weiße Frau frei zu machen; neben ihr waren bereits drei Plätze frei, doch die Regel lautete, dass dunkelhäutige Fahrgäste die Sitzreihe komplett freimachen müssen, damit hellhäutige nicht gezwungen sind, neben ihnen zu sitzen. Rosa Parks wurde verhaftet. Aus Protest gegen die Verhaftung und um die Aufhebung der Rassentrennung zu erreichen, organisierten Freunde und Unterstützer von Rosa Parks – einer von ihnen war Martin Luther King – einen Streik: Rund ein Jahr lang benutzten schwarze Menschen in Rosas Heimatstadt Montgomery keine Busse mehr, bis der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung in den Bussen aufhob. Weitere Gesetzesänderungen folgten, 1964 wurde die Rassentrennung von Rechts wegen abgeschafft. Rosa Parks zog aufgrund von Drohungen und Anfeindungen nach Detroit, blieb dort weiter in der Bürgerrechtsbewegung aktiv und wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem 1996 von Bill Clinton mit der Freiheitsmedaille.

Eingeleitet wird Rosa Parks‘ Lebensgeschichte mit der Erzählung der gemeinsamen Geschichte von Amerika und Afrika, von Menschenjagd, Menschenhandel und Sklaverei. Den Abschluss bilden die Erklärung, was Menschenrechte sind, und ein Appell:

Seien Sie mutig.
Kämpfen Sie für Ihre Rechte.
Und kämpfen Sie für die Rechte von allen Menschen.

Wie liest es sich?

Texte in Leichter Sprache zu lesen, ist für Menschen mit guter Lesekompetenz gewöhnungsbedürftig, aber nicht uninteressant. Nur kurze Hauptsätze, sehr einfache Wörter. Anhänger von Political Correctness müssen damit leben, dass es weder Gender gibt, noch »People of Colour«. Diese Menschen heißen hier »Schwarze«, allerdings wird das Wort eingeführt:

Die Sklaven aus Afrika hatten eine dunkle Haut.
Man nennt Menschen mit dunkler Haut
schwarze Menschen.
Man sagt auch: Schwarze.

Das funktioniert. Das Buch ist also nicht nur eine Empfehlung für Menschen, die nicht gut lesen können, sondern auch für solche, die verständlich schreiben sollten, zum Beispiel in Behörden. Es ist sicher kaum möglich und auch nicht wünschenswert, alle Texte in Leichter Sprache zu verfassen, ein paar gute Gedankenanstöße lassen sich aber finden. Das Buch hat 80 Seiten, davon 60 für die eigentliche Geschichte, es gibt viele Abbildungen, und auf den Seiten mit Text stehen jeweils rund 300 bis 400 Zeichen. Bettina Mikhail hatte also nicht viel Raum und entwickelte dafür eine erstaunlich facettenreiche Erzählung. Menschen, die Standardsprache lesen können, macht sie Lust auf mehr über Rosa Parks. Alle anderen haben viel erfahren – und vielleicht auch mehr Mut bekommen.

Wie sieht es aus?

Die kürzeste Antwort auf diese Frage: klar. Das Layout der Kapitel ist einheitlich, die Bilder sind immer rechts, Überschriften auf jeder Seite erleichtern die Orientierung. Auffällig ist die Schriftgestaltung. Große Buchstaben, keine Serifen, zusammengesetzte Wörter haben einen Punkt zwischen den Bestandteilen. Wie bei »Hör·buch«, das gibt es zu dem gedruckten Buch hinzu. Buch und Hörbuch können getrennt oder, um besser Lesen zu lernen, parallel benutzt werden. Die Typographie wurde übrigens wie auch der Text von Probanden aus der Zielgruppe auf Lesbarkeit geprüft.
Ein schönes gestalterisches Detail findet sich etwa in der Mitte des Buches: Eine Zeichnung zeigt den besagten Bus von oben mit den Ausgängen und den Sitzplätzen für Fahrer, weiße und schwarze Fahrgäste. Ein Bild, das auch Standard-Lesern die Situation anschaulich macht.
Es sollte mehr Bücher wie das von Bettina Mikhail und Martin Markwort geben.

Autorin: Christina Sahr

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