BMAS-Werkstatt zur Interessenvertretung von Soloselbstständigen

Am 3. Juli hat das BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES (BMAS) zu einem Werkstattgespräch geladen: „Stärkung gemeinsamer Interessenvertretung Selbstständiger – Hindernisse, Möglichkeiten, Herausforderungen“. In einem gelungenen Mix aus Impulsvorträgen und Diskussionen in Kleingruppen nahmen sich rund 70 Teilnehmer des Themas an.

Praktischerweise hatte uns die Einladung beim letzten BAGSV-Treffen erreicht. So waren wir uns schnell einig, dass wir die Gelegenheit nutzen wollen, die BAGSV als kompetenten, dialogbereiten Ansprechpartner im Ministerium zu präsentieren. Damit wollten wir deutlich zeigen, dass wir uns gut selbst organisieren können (ohne viel Strukturhokuspokus) und die Anforderungen an moderne Formen der Organisation in der politischen Kommunikation verstanden haben. Die Vertreter des Ministeriums schienen sichtlich beeindruckt.

Vier Impulsvorträge zur Einstimmung

Der Soziologie-Professor Hans Pongratz hat zusammen mit Dr. Lisa Abbenhardt im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die bestehenden Interessenvertretungen von Solo-Selbstständigen untersucht. Im Rahmen des Impulsvortrages berichtete er über erste Ergebnisse. Die Untersuchung ist die erste, die eine systematische Sicht auf die spezifische Situation von Soloselbstständigen und ihre Interessenvertretung schafft. Wir dürfen mehr als gespannt sein auf das endgültige Ergebnis.

Michelle Miller von coworker.org war extra aus New York gekommen. Dort hat sie mit einigen wenigen Mitstreitern eine Internet-Plattform aufgebaut, über die Mitarbeiter von Filialunternehmen wie z. B. Starbucks sich „finden“ und über Arbeitsbedingungen, Bezahlung etc. diskutieren können. Sie können Forderungen aufstellen, die andere dann unterstützen. Die Plattform wird hauptsächlich von Angestellten genutzt, Selbstständige machen nur rund 10 Prozent der Nutzer aus. Trotzdem ein sehr interessanter Ansatz und unter Umständen auch für uns eine Möglichkeit des Austausches und der Information.

Die Jura-Professorin Eva Kocher von der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder sprach über „Rechtliche Instrumente für die Interessenvertretung Solo-Selbstständiger“. Sie konzentrierte sich dabei auf die Durchsetzbarkeit von Honorarempfehlungen, Gebührenordnungen und Tarifverträgen, den VTV Design inbegriffen.

Bernhard Brauner vom Genossenschaftsverband e.V. erklärte schließlich, welche Vorteile „Genossenschaften als Organisationsform für Solo-Selbstständige“ haben.

Ideenentwicklung in Kleingruppen

In zwei Runden ging es zunächst um die Benennung der Hemmnisse und Hindernisse von Interessenvertretung Soloselbstständiger. Im Anschluss wurden geeignete Formen diskutiert, sie künftig besser zu bewerkstelligen.

Da in allen Gruppen BAGSV-Mitglieder vertreten waren, ist es uns auch hier gelungen, die Selbstorganisation der Soloselbstständigen in der von ihnen gewählten Form in Stellung zu bringen. Auch konnten wir die Vertreter des Ministeriums darauf hinweisen, dass es so, wie es gerade ist, gut funktioniert und nun eigentlich sie an der Reihe sind, ihren Beitrag zu leisten. Gern haben wir den Rahmen genutzt, unsere wichtigsten Forderungen an das Haus zu formulieren:

  • Einbindung/Anhörung der Selbstständigenverbände bei Gesetzgebungsverfahren
  • Sozialpartnerschaft (Arbeitgeber und Gewerkschaften) erweitern um Selbstständige, bei Vorhaben, die uns betreffen
  • Position eines Beauftragten für Selbstständige in Parlament und/oder relevanten Ministerien schaffen
  • Gesetzesfolgeabschätzung in Bezug auf Soloselbstständige institutionalisieren
  • Sichtbar höhere Wertschätzung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrags von Selbstständigen
  • Selbstständigenvertreter auf Podien einladen (nicht nur Politiker, Arbeitgeber, Gewerkschafter und Wissenschaftler)
  • Regelmäßige Berichterstattung institutionalisieren über die Vergütung von Selbstständigen durch die öffentliche Hand bzw. Auftragnehmer der öffentlichen Hand (z. B. bei Ausschreibung von Designleistungen)
  • Bewertungsplattform für Auftraggeber schaffen

Bemerkenswert war die immer wieder zum Ausdruck gebrachte große Zustimmung zu selbstorganisierten themenbezogenen Allianzen und Verbünden, die  auf große, übergreifende Strukturen (Tanker) verzichten können und gern als Armada kleiner Schnellboote agieren.

Fazit

Um 9:30 Uhr begann das Werkstattgespräch, pünktlich um 16:30 Uhr zog Benjamin Mikfeld in seinem Schlusswort ein Fazit. Der für „Grundsatzfragen des Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft“ zuständige Abteilungsleiter gebrauchte mehrfach den Begriff des volonté générale. Jean-Jacques Rousseau hat diesen geprägt und ihn gegenüber dem volonté de tous, der Summe der Einzelinteressen, abgegrenzt.

Damit tat er nicht viel weniger, als die völlig richtige Haltung „Das Gemeinwohlinteresse ist nicht die Summe aller Partikularinteressen“ einzunehmen und zum Ausdruck zu bringen. Dem pflichten wir uneingeschränkt bei, schafft es doch die Voraussetzungen dafür, dass wir alle uns offen und unvoreingenommen miteinander unterhalten – ohne Ergebnisse schon vorweg nehmen zu wollen.

Seitens AGD und BAGSV sehen wir das Werkstattgespräch auf jeden Fall als Erfolg. Wir sind als BAGSV erstmals bei einer externen Veranstaltung abgestimmt aufgetreten. Die wenigen anwesenden Verbände, die uns noch nicht kannten, haben ihr Interesse an einer Mitarbeit angemeldet. Andere, bisher unschlüssige, haben klargestellt, dass sie auf jeden Fall mitmachen wollen. Wir haben uns als konstruktive Gesprächspartner präsentiert und fundierte Vorschläge und Forderungen formuliert. Wir freuen uns darauf, diese gemeinsam mit dem Ministerium (nach der Wahl?) schrittweise umzusetzen.

Nachoben