Nationaler IT-Gipfel 2015

Jedes Jahr lädt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum Nationalen IT-Gipfel ein. Dort treffen sich die Größen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft zum Gedankenaustausch über die digitale Zukunft Deutschlands.

Wer jetzt glaubt, dass es sich dabei nur um eine weitere Werbeplattform für die typischen Internetriesen wie Apple, Facebook, Google, Microsoft und Co. handelt, irrt sich. Der IT-Gipfel thematisiert die Digitalsierung der Wirtschaft, des Staats und der Gesellschaft. In seinen Fachforen geht es u.a. um »Internet of Things (IOT)«, »Industrie 4.0«, »Smart Services«, »Staat 4.0«, »IT-Sicherheit und Verantwortung«. Nicht der Consumer mit seinem Geld und seinen Daten steht hier im Mittelpunkt, sondern die Zukunftsgestaltung unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Die Komplexität der ganzen Thematik spiegelt sich in der Rednerliste wider: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Sigmar Gabriel (Wirtschaft und Energie), Dr. Thomas de Maizère (Inneres), Andrea Nahles (Arbeit und Soziales), Alexander Dobrindt (Verkehr und digitale Infrastruktur) und Prof. Dr. Johanna Wanka (Bildung und Forschung).

Dieses Jahr war zum ersten Mal auch die Kreativwirtschaft eingeladen. Victoria Ringleb und ich durften als Vertreter der Designbranche den Reden und Podiumsdiskussionen zuhören. Unter dem Thema »Wert der Inhalte – Die Kreativwirtschaft in der Digitalen Agenda« diskutierten Vertreter der Kreativwirtschaft über ihren Platz in der zukünftigen digitalen Gesellschaft. Was auf eine interessante Diskussion hoffen ließ, war unterm Strich leider nur der übliche Klagegesang der Content-Branche. Vertreter des Bundesverbands Musikindustrie, der Deutschen Content Alliance (DCA) und der Initiative Urheberrecht forderten in ihren Reden und Diskussionsbeiträgen immer wieder, dass den Content-Lieferanten (Urheber und Verleger) ein angemessenes Stück vom Geldkuchen zustehe.

Natürlich sind diese Forderungen angebracht. Doch der IT-Gipfel 2015 war dafür die falsche Plattform. Denn hier trafen die Kreativen auf Ingenieure, Wissenschaftler und Verwaltungsfachleute. Die Unternehmen, die sich mit Content eine goldene Nase verdienen, waren nicht eingeladen. Während auf der einen Seite Maschinenbauer Datenbrillen zur Qualitätssicherung präsentierten, redeten die Kreativen auf der anderen Seite über entgangene Youtube-Tantiemen. Die Vertreter der Kreativwirtschaft hatten dabei übersehen, dass es einmal nicht um Inhalte geht. Schließlich waren die gezeigten Datenbrillen weder für Musik noch für Katzenvideos gedacht.

Bei der Zukunftsgestaltung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft darf sich die Kreativwirtschaft nicht selbst zum konsumorientierten Content-Lieferanten degradieren. Beim IT-Gipfel steht die Gestaltung im Mittelpunkt. Das ist für uns Designer die Chance, uns als ebenbürtige Partner der Industrie zu präsentieren. Die Ingenieure und Wissenschaftler brauchen unsere Gestaltungskompetenz mehr denn je. Beim Beispiel Datenbrille sind Designer für die Funktionalität, die Form und die Benutzerschnittstelle verantwortlich und die Ingenieure für den Inhalt. Für die Designer geht es nicht mehr um »König Content«, sondern um die »Könige« Funktion, Form und Interface.

Die Vertreter der Kreativwirtschaft haben es auf dem IT-Gipfel versäumt, die Kreativen ins Spiel zu bringen. Die Kreativwirtschaft hat sich nicht als Gestaltungspartner präsentiert, sondern nur als Trittbrettfahrer. Das ist schade. Das ist traurig.

Doch aus diesem Fehler können wir nur lernen. Sorgen wir dafür, dass auf dem Nationalen IT-Gipfel 2016 die zu Wort kommen, die aktiv mitgestalten wollen: wir Designer.

Jan-Peter Wahlmann, Vorstand AGD

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