(Wie) passen Kreativität und Wissenschaft zusammen?

Die Designforschung untersucht – je nach Ausrichtung des Forschenden – unterschiedlichste Aspekte des Designs. Wie wird entworfen? Wie lassen sich innovative Produkte gestalten? Wie eignen sich Menschen Design und Produkte an? Welche Aufgabe übernimmt das Design in der Kommunikation? Wie gelangt man im Designprozess zu wissenschaftlichen Erkenntnissen? Das sind nur einige Fragen, mit denen sich die in Deutschland noch junge Disziplin befasst.

Wie überschaubar die Designforschung zur Zeit noch ist, zeigt die Google-Suche. Während der Suchbegriff „Design“ 233 Millionen Treffer auf deutschsprachigen Webseiten erzielt, sind es bei „Designforschung“ gerade einmal 173.000 Treffer. Dass diese Zahlen bei der Wiederholung der Sucheingabe variieren zeigt, dass der Google-Algorythmus wiederum eine Wissenschaft für sich ist.

Designforschung I: Der Entwurfsprozess

Claudia Mareis gehört seit 2009 zum Vorstand der 2003 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung e.V. (DGTF). Die Designerin und Kulturwissenschaftlerin lehrt als Dozentin für Designtheorie an mehreren schweizerischen und internationalen Hochschulen. „In der Designforschung geht es vor allem darum, auf wissenschaftlicher Basis ein Verständnis von den Prozessen des Entwerfens zu bekommen.“ Zwar wird in jedem Entwurfsprozess Wissen über die eigene Vorgehensweise, über geeignete Methoden und über den Forschungsgegenstand generiert, in Forschungsprojekten geschieht das jedoch sehr viel expliziter. Wer forscht, für den ist der Prozess des Erkenntnisgewinns ebenso wichtig wie das Ergebnis.

Claudia Mareis weiß, dass sich viele Designer schwertun, Design und Wissenschaft zusammenzubringen. Lässt sich der kreative Prozess des Entwerfens wirklich theoretisch erklären? Ist wissenschaftliche Anerkennung überhaupt erstrebenswert, oder nimmt sich kreative Arbeit damit gerade das, was sie ausmacht: das Charismatische, Intuitive, das nur bedingt in Regeln zu Fassende?

Designforschung lässt sich nicht auf die Untersuchung der Kreativität reduzieren. Tatsächlich kann der kreative Prozess selbst Forschungsgegenstand sein, muss es aber nicht. Forschung ist vielmehr eine wissenschaftliche Arbeitsmethodik, die Probleme formuliert und definiert, Thesen entwickelt, Daten erhebt, sie analysiert und anhand der Ergebnisse wiederum die Thesen überprüft. Designforschung unterlegt Intuition und Kreativität, die in jedem Entwurfsprozess enthalten sind, mit objektiv nachvollziehbaren Daten und belegbarem Wissen. Für Design muss Designforschung daher keine Einengung bedeuten, im Gegenteil. Experimentieren, ausprobieren, Prozesse analysieren, anpassen und verbessern – in Kundenprojekten fehlen dazu im Normalfall Geld und Zeit.

Claudia Mareis wünscht sich einen sachlicheren Umgang mit Design und Designforschung innerhalb der Branche. „Diskussionen über Design werden immer noch sehr polemisch geführt“, findet sie. Kritik werde selten sachlich geäußert. Auch hier kann ihrer Meinung nach Designforschung Nützliches beitragen: Mit Kriterien, anhand derer sich Entwurfsprozess und Resultate nachvollziehen lassen und mit einer kritischen aber dennoch wertschätzenden Gesprächskultur, die Designer darin unterstützen kann, ihre Arbeitsmethoden und dadurch die Qualität ihrer Entwürfe zu verbessern.

Designforschung II: Die Auswirkungen von Design

Neben der Erforschung des Entwurfsprozesses gibt es viele anwendungsorientierte Designprojekte, in denen Wissen mit wissenschaftlichen Methoden generiert wird. In der Regel ging es dabei bisher vor allem um Marktforschung und das erwünschte Ergebnis solcher Projekte ist ein Produkt, das sich möglichst gut verkauft. „Designforschung befasst sich aber auch und gerade mit Gestaltungsfragen, die nichts mit Verkauf zu tun haben“, sagt die Wissenschaftlerin.

In Großbritannien gab es beispielsweise bereits 1999 einen staatlichen Forschungsauftrag zum Thema „Design against crime“. Damals untersuchten Mitarbeiter der Sheffield Hallam University, der University of Cambridge und der University of Salford im Auftrag der britischen Regierung, inwiefern beim Design von Produkten die Überlegung einfließt, durch die Gestaltung Kriminalität zu reduzieren. Dass Design dabei helfen kann, hatten amerikanische Studien bereits gezeigt.

„Nicht immer sind die Resultate der Forschungsprojekte in Umsatz oder den Kategorien ,gutes‘ und ,schlechtes‘ Design messbar“, ergänzt Claudia Mareis. Die Verbesserung einer bestimmten gesellschaftlichen Situation ist durchaus ein gewünschtes Ziel. Ein Beispiel dafür ist das Schweizer Projekt „Design Migration“. Projektleiterin Minou Afzalivon der Hochschule der Künste in Bern erforschtemit einem Team im Gemeinschaftszentrum Gäbelbach, ob es kulturspezifische Unterschiedegibt, wie Kommunikationsmaßnahmen – Bilder, Symbole, Schriften – im öffentlichen Raum wahrgenommen werden. Dazu untersuchten sie, wie die Bewohner aktuell angesprochen werden, wie ungeplante und unbewusst gestaltete Kommunikationsmaßnahmen wirken und was sich die Bewohner von der Kommunikation im Gemeinschaftszentrum erhoffen. Die Erkenntnisse aus der Studie sollen zeigen, ob sich mit bewusst geplanter und gestalteter Kommunikation das Zusammenleben von Migranten und einheimischer Bevölkerung verbessern lässt.

Die Designforschung ringt um Anerkennung – und um die Finanzierung

Designforschung als Grundlagenforschung war in Deutschland bis Ende der 1990er Jahre kaum existent; die Disziplin und ihre Bedeutung in Politik, Wirtschaft und der Öffentlichkeit wenig bekannt. Das ändert sich seit einigen Jahren, nicht zuletzt durch die Arbeit von Verbänden wie der DGTF, die Diskussionen über Designforschung anregen und Designwissenschaftlern ein Forum bieten.

Noch tut sich die Wissenschaft schwer mit der Anerkennung der Designforschung und damit mangelt es auch an der Vernetzung mit anderen Wissenschaftsdisziplinen. Mit fatalen Folgen: Bei interdisziplinären Projekten wie beispielsweise der Entwicklung von Softwaresystemen bleiben Designer viel zu lange außen vor. Sie werden erst hinzugezogen, wenn es um eine ansprechende Nutzeroberfläche oder um die Verpackung des Produkts geht. Oftmals ist bei Ingenieuren die Tatsache unbekannt, dass geschulte Kreativprozesse für technische Entwicklungen nützlich sind. Zum Teil haben Designer zu dieser Situation auch selbst beigetragen, indem sie sich eher als kreative Künstler denn als adäquate Partner in einem ganzheitlichen Entwicklungsprozess verstehen und präsentieren.

Die Designforschung kann dazu beitragen, das interdisziplinäre Verständnis für Design ebenso zu verändern wie das Selbstbild des Designers. Doch wer Forschung betreiben will, ist auf Finanzierung angewiesen. Um Fördermittel für Forschungsprojekte zu bekommen, ist es notwendig, als Wissenschaft anerkannt zu sein; um als Wissenschaft anerkannt zu werden, sind wiederum Forschungsergebnisse die Voraussetzung – ein Kreislauf, der es jungen Disziplinen nicht einfach macht. Für diese Herausforderung sind Designer, die sich täglich mit kreativen Lösungen beschäftigen, gut gerüstet.

(Susanne Wannags)

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