Stocko­kalyp­se now

Von den Auswirkungen der Internet-Bildagenturen auf Fotografinnen und Fotografen – und die visuelle Kultur.

Gilt der Satz, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt, leben wir in einer Zeit unendlichen Geschwätzes – der Bedarf an Bildern wächst und wächst. Das liegt zum einen an einem Bildzuwachs von immer mehr Printmedien, zum anderen am Bilderhunger des Internets, denn kaum ein privates oder kommerzielles Angebot kommt ohne Fotos oder Illustrationen aus. Trotz der Bilderflut bekommen immer mehr Berufsfotografen und Fotodesigner wirtschaftliche Probleme, das macht stutzig.

Ein Großteil des Bedarfs wird über Bilddatenbanken gedeckt, den Stockfoto-Services, von denen hierzulande etwa zehn den Markt unter sich aufteilen. Sie bieten Fotomaterial zu allen Themen an*, das Sortiment wird ergänzt durch Illustrationen und Vektorgrafiken, teilweise auch kurzen Videos und Animationen. Kurioserweise haben besonders Agenturen die überwiegend mit preiswerten Bildern handeln, die Microstock-Agenturen, trotz des Bilderhungers das Problem eines Überangebotes. Eine Übersättigung durch sehr ähnliche, aussagefreie Symbolfotos führt zur Unübersichtlichkeit, so dass für einige Kategorien keine Bilder mehr angenommen werden.

Nicht wenige Händler versuchen, ihre Positionen im scharfen Wettbewerb durch niedrige Verkaufspreise zu festigen, besonders wenn Flatrates für Großabnehmer (beispielsweise Verlage) im Spiel sind: Hier sinken die Preise oft nochmals um zirka 40 Prozent. Der andere Preisdrücker sind ambitionierte Hobbyfotografen, die im Nebenberuf gezielt für Stockagenturen fotografieren und Bildüberschüsse produzieren. Auch wenn sie finanziell genügsamer sind, bieten sie der niedrigen Erlöse wegen – die Stockagentur reicht etwa 50 Prozent weiter – mehrfach identische Bilder bei mehreren Dienstleistern an, Bilderflut und Unübersichtlichkeit steigen dadurch weiter an. Die Dienstleister reagieren mit verstärkten Eingangskontrollen bezüglich Aufnahmequalität, Verkaufsfähigkeit und Rechtesituation – Qualität aus Notwehr sozusagen.

Alle diese Kriterien zusammengefasst, machen es für nebenberufliche Fotografen insgesamt schwieriger, mit Stockagenturen ins Geschäft zu kommen. Für Berufsfotografen und Fotodesigner dürfte sich das Geschäft in der Regel ohnehin kaum lohnen. Einerseits verkaufen sich ihre Aufnahmen in der Tat deutlich besser als die von Amateuren – gelernt ist eben gelernt. Andererseits nutzen die gestiegenen Qualitätsansprüche nichts, wenn die erzielbaren Erlöse bei den zu geringen Bildpreisen kaum attraktiv sind. Profifotografen haben ein Studio, kostenintensive Fotoausrüstungen, professionelle Hard- und Software sowie teure Weiterbildungen zu finanzieren – Ausgaben, die sich durch Stockfotografie nicht decken lassen. Auch die Vorstellung, dass sich Restbestände von Auftragsarbeiten versilbern lassen, ist unrealistisch, denn bei kaum einem Auftrag dürften Bilder anfallen, die von Motiv und Kunden losgelöst veräußerbar sind.

Das Hauptproblem für Profifotografen ist jedoch, dass zunehmend lukrative Fotoaufträge entfallen, weil sich ihre Auftraggeber immer mehr der Microstock-Dienste bedienen. Das ist schneller, bequemer und vor allem billiger. Da ist es ihnen egal, dass Designer nach langer Bildsuche mit Kompromissfotos arbeiten müssen, weil die nebenberuflichen Fotografen des besseren Verkaufs wegen möglichst „neutrale“ Bilder ins Netz stellen. Genau das sieht man den Medien an: Ihre Bildsprache wird aussagefreier und im Design austauschbarer – profilloser eben. Der Verlust der eigenen visuellen Kultur ist billig zu haben – viel zu billig.

(Andreas Maxbauer)

*abgesehen natürlich von „dem“ Bild, das man aktuell braucht. Wer z.B. bei Fotolia „AGD“ eingibt, der bekommt als Angebot ein blaues Bügeleisen, eine Yom-Kippur-Grafik, das Konterfei einer feschen Blondine und eine Aufnahme eines Baums mit ausladendem Wurzelwerk.

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