Bericht: Behavioural Design Camp in Wiesbaden

Wiesbaden, Sa, 25.08.2018 Das Gute vorweg: das Design Camp hat sich in vielerlei Hinsicht absolut gelohnt. Das Negative hinterher: Mein Vorsatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, um möglichst klimabewusst zu handeln, scheiterte an der extrem frühen Uhrzeit, zu der ich dafür an einem Samstag (!) hätte aufstehen müssen. Bei mir wäre noch eine Fähre dazu gekommen, was einen ordentlichen Sprint (mit der Angst den Zug nicht mehr zu erreichen) von Fähranleger zum Bahnhof verlangt hätte um dann entweder viel zu früh oder kurz vor knapp anzukommen. Also 1,5 h länger schlafen und Auto!

Einlass und Frühstück

Schon das Ankommen macht es einem angenehm: Scholz & Volkmer luden ein zu einem kleinen Stehfrühstück mit fairem Bio-Kaffee, Gebäck und regionalem Obst (solch ethisch korrekte Dinge gehören meines Erachtens öfter erwähnt). Ich fühle mich umringt von vielen wissbegierigen, oftmals deutlich jüngeren Menschen und frage mich: „Studieren die alle noch oder werde ich alt?“ (das Ergebnis meiner Überlegung möchte ich aber geheim halten). Das Geschnattere und gegenseitige Kennenlernen ist auch direkt in vollem Gange – sympathisches Netzwerken keine 5 Minuten nach dem Ankommen garantiert.

 

Behavioural Design Workshop(en)

 

Der erste Redner war dann auch direkt ein Hammer: Jorn Craeghs (Co-Gründer und Leiter der Behavioural Design Academy und Gründer des Sade Studios) unterhielt uns auf Englisch aber auf äußerst charmante und frische Art, sodass wir 3 (vielleicht waren es auch 4, weiß keiner, keiner hat auf die Uhr geschaut) Stunden gebannt an seinen Lippen hingen und fleißig mitschrieben. Gespickt war sein Vortrag natürlich mit vielen guten, schlechten, irrationalen und bösen Beispielen das Verhalten zu beeinflussen.
Dank zweier Workshops in Kleingruppen konnten wir unser neu erworbenes Wissen direkt in die Tat umsetzen und Konzepte entwickeln. Alle Gruppen waren extrem fantasievoll und beim anschließenden gegenseitigen Präsentieren wurden noch weiter gemeinsam an den Ideen gefeilt, was eine schöne, lockere Atmosphäre mit gegenseitigem Respekt schaffte.

Quintessenz :

  • Menschen sind vorhersehbar irrational und folgen der großen Masse
  • Verhalten ist die Summe aus Motivation, Möglichkeite und Auslöser (Trigger) zu einem bestimmten Zeitpunkt
  • Konzentriere dich, wie du das gewünschte Verhalten einfacher erreichst

Mittagessen

Das Mittagessen zu erwähnen ist ja eigentlich Quatsch in einem Bericht. Aber da es so nett war, kann ich es mir nicht verkneifen. Im schönen Café im Untergeschoss gab es von ausgelassenen Mitarbeiterinnen Nudeln mit selbst gemachter Tomatensoße (mit selbst angebauten Kräutern) und leckeren Salat auf die Teller geschöpft. Und es zeigt sich: Netzwerken geht auch mit vollem Mund (ist dann vielleicht nicht mehr so ästhetisch).

keynote

Nach der wohlverdienten, sehr späten Mittagspause, kam die Präsentation von Dr. Matthias Laschke (Post-Doc in der Arbeitsgruppe Ubiquitous Design an der Universität Siegen. Forscht innerhalb der Themengebiete Nachhaltigkeit, Prokrastination, Willenskraft, Therapietreue oder Umsicht im Straßenverkehr) dem Pleasure Troublemaker. Er wirft die Annahme über den Haufen, dass das Ziel sein müsse, Leben immer weiter zu vereinfachen und Wissen und Können vom Nutzer wegzurationalisieren (Beispiel Thermomix gegenüber richtigem Kochen mit Rezept, Messer, Schneidebrett und Topf). Stattdessen entwickelt er kleine „Troublemaker“ um uns zu bestimmten Verhalten (z. B. Fahrrad fahren statt gemütlich im eigenen Auto) zu zwingen, für das wir in dem Augenblick aus verschiedenen Grünen (Faulheit, Langeweile …) eigentlich nicht bereit sind.

 Quintessenz:

  • Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach
  • Kleine Trigger im Alltag können uns helfen das schwache Fleisch zu überlisten
  • Aber unseren Geist und Willen können wir nicht überlisten sondern jeder muss selbst für sich entscheiden, was er macht und was nicht

Diskussionsrunde

Anschließend setzen sich Jorn Craeghs, Dr. Matthias Laschke und Peter Post zusammen und standen unseren Fragen Antwort und eine lebendige Diskussionsrunde setzte ein. Auf dieser Diskussionsgrundlage wurden die Themen für den Open Space extrahiert.

Open Space

2 Zeiteinheiten, 5 Angebote:

  • Trick Yourself: Wie versuche ich meine Gewohnheiten zu gestalten um meine Produktivität zu steigern und mich besser zu fokussieren.
  • Behavioural Design und Ethik
  • Lug, Trug und Hinterlist: 30 schlaue, bedenkliche, witzige und erschütternde Beispiele für BD
  • Stadt nachhaltiger machen: besonders schön und wäre ach so wichtig bei einer Stadt wie Wiesbaden
  • Gab es das alles nicht schon mal?: Ist BD nicht auch irgendwie UX-Design und sowieso auch User Centered? Und hatten wir das nicht schon vor 20 Jahren im Studium?

Get Together

Kurz vor 18 Uhr wurden die Bierkästen ins Foyer gestellt und durchgeatmet. Ein wirklich spannender, vielfältiger Tag geht zu Ende, neue Denkanstöße sind ins Rollen gekommen, neue Visitenkarten eingesteckt (ich habe meine zwar zuhause liegen lassen, aber ganz ehrlich: echte Kontakte im Kopf und anschließendem Googeln und Xingeln und Facebookeln halten sowieso meist länger …).

Einen herzlichen Dank von mir (und der AGD) an die Organisatoren von giinco, supernju° und Scholz & Volkmer. Und noch eine kleine Bitte, beim nächsten Mal auch alkoholfreies Radler anzubieten, da es leider nicht jeder schafft mit den Öffentlichen zu kommen.

Ich bin heile und unalkoholisiert, dafür aber voller neuer Eindrücke, wieder zuhause eingetroffen.

Eure Nicole – Regionalsprecherin Rhein-Main

Personen-Fotos: Sandra Junker Titel und Plakat: Nicole Kreye
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