Schranken des Urheberrechts

Unwesentliches Beiwerk und Panoramafreiheit

Jeder Designer sieht sich tagtäglich mit der Frage der erlaubnisfreien und unentgeltlichen Nutzung urheberrechtlich geschützter Leistungen und geschützter Designs konfrontiert: Sei es, dass ein Dritter das eigene Design nutzt, ohne gefragt oder gar bezahlt zu haben, sei es, dass man selbst ein Werk oder Design nutzen möchte. In beiden Fällen ist die Frage: Ist die ungenehmigte Nutzung zulässig? Muss ein Entgelt bezahlt werden?

Grundsatz: Fragen! (und bezahlen!)

Dabei gilt der Grundsatz: Wenn eine schöpferische Leistung urheberrechtlichen Schutz genießt – was nach der „Geburtstagszug“-Entscheidung des BGH aus 2014 gerade bei Designs künftig häufiger der Fall sein wird (vgl. hier: Nachvergütungsansprüche) – dann liegen alle Nutzungsrechte grundsätzlich ausschließlich beim Designer und ohne seine – ggf. „erkaufte“ – Einwilligung ist jede Nutzung unzulässig und kann unterbunden werden.

Aber auch dieser Grundsatz kennt Ausnahmen und auch das Urheberrechte des Einzelnen hat Schranken: Bestimmte, genau definierte Nutzungen geschützter Werke sind auch ohne Einwilligung des Urhebers zulässig. Zwei dieser sog. Schranken des Urheberechts sind gerade im Designbereich immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen.

Die Panoramafreiheit

Nach der sog. „Panoramafreiheit“ nach § 59 UrhG ist es ohne Einwilligung des Urhebers zulässig (Kunst-) Werke, die sich „bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.“ (§ 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Auch eine entsprechende gewerbliche Nutzung ist ggf. zulässig, also z.B. der Verkauf entsprechender Abbildungen wie Postkarten oder Poster. Erforderlich ist aber eine Quellenangabe bzw. die übliche Nennung des Namens des Künstlers des abgebildeten Werks.

Allerdings sind einige Einschränkungen zu beachten:

Zunächst muss sich das Werk frei zugänglich an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Dazu zählen alle Flächen im Gemeingebrauch, also z.B. auch Privatwege, Passagen, Galerien und öffentlich zugängliche Hausdurchgänge und Atrien, und eine zeitweilige, z.B. nächtliche Schließung (Friedhof, Tempelhofer Feld) stehen dem nicht entgegen. Nicht erfasst sind aber Abbildungen, die in allg. zugänglichen Innenräumen angefertigt werden, wie z.B. in einer Bahnhofshalle.

Die Abbildung muss zudem ohne Hilfsmittel wie z.B. Leitern angefertigt werden und ohne Beseitigung von blickschützenden Vorrichtungen wie Hecken oder Zäunen. Auch Abbildungen, die von Balkonen, Dächern oder aus der Luft angefertigt werden, sind nicht privilegiert.

„Bleibend“ befindet sich ein Werk an einem öffentlichen Ort, wenn das Werk dort für die Dauer seiner Existenz verbleiben soll. Erfasst sind also nicht nur dauerhafte Werke wie Skulpturen und Installationen, sondern auch Abbildungen von vergänglichen Werken wie Pflastermalereien, Sand- und Schneeskulpturen, Graffiti an Hauswänden, Plakaten an Plakatwänden oder Litfaßsäulen und Schaufensterauslage.

Eine Einschränkung macht der BGH hier allerdings in seiner berühmten „Verhüllter Reichstag“-Entscheidung (Urteil vom 24.1.2002, Az. I ZR 102/99), indem er dort festgelegt hat, dass ein Werk der bildenden Kunst sich dann nicht „bleibend“ an einem öffentlichen Ort befindet, „wenn das Werk im Sinne einer zeitlich befristeten Ausstellung präsentiert wird“. Unerheblich soll dann sein, ob das Werk nach dem Abbau fortbesteht oder ob es mit dem Abbau untergeht (wie im Fall des von Christo verhüllten Reichstags-Gebäudes).

Werden diese Voraussetzungen und Einschränkungen beachtet, so sind die in der Ausnahmevorschrift aufgeführten zweidimensionalen Nutzungen – Vervielfältigung durch Malerei, Grafik, Fotografie oder Film – zulässig, auch wenn sie gewerblich erfolgen, also bspw. Postkarten, Filme, Bildbände, Reiseführern, Videos und ähnliche Souvenirartikel. Nicht erlaubt ist aber bspw. ein Nachbau oder jede sonstige dreidimensionale Nachbildung.

Die Eigentümer entsprechender Anlagen wie z.B. Parks können zudem effektiv ihr Hausrecht dazu nutzen, um mittels entsprechender Nutzungsbedingungen (z.B. Parkordnung) das Fotografieren oder die gewerbliche Nutzung von Fotografien, die in der Anlage bzw. von Objekten darin angefertigt werden, zu verbieten (so BGH, Urteil vom 17.12.2010, Az. V ZR 45/10 – Preußische Gärten und Parkanlagen).

Wesentliches vs. unwesentliches Beiwerk

Zu der Frage, ob ein „Beiwerk“, also ein Werk, das in einem anderen (Haupt-) Werk enthalten ist, als nur „unwesentlich“ anzusehen ist und deshalb erlaubnisfrei genutzt werden darf, hat sich Ende 2014 der BGH geäußert (zum ersten Mal überhaupt! Urteil vom 17.11.2014, Az. I ZR 177/13 – Möbelkatalog; s. hier: http://www.kvlegal.de/copyright/bgh-gemaelde-in-online-moebelkatalog-kein-unwesentliches-beiwerk-urteil-vom-17-11-2014-az-i-zr-17713-moebelkatalog/).

Es ging dort um eine Werbe-Fotografie in einem gedruckten und online verfügbaren Möbelkatalog, in der neben den zum Verkauf stehenden Möbeln als Dekoration ein urheberechtlich geschütztes Gemälde abgebildet war. Anders als zuvor das OLG Köln hielt der BGH dieses „Beiwerk“ nicht für unwesentlich, verneinte also die genehmigungsfreie Nutzung.

Um zu bewerten, ob ein Beiwerk als wesentlich oder als unwesentlich anzusehen ist, muss dabei zunächst der Hauptgegenstand bestimmt werden, gegen den diese Bewertung vorzunehmen ist. Im Fall des BGH war das lediglich die konkrete Fotografie, nicht der gesamte Möbelkatalog oder der gesamte Internetauftritt. In einem Film wäre das die einzelne Szene (reicher Rechtsanwalt wird tot in seiner Kanzlei aufgefunden, die mit teuren PK 31 -Sesseln ausgestattet ist), nicht der gesamte Film (der Gärtner war’s).

Sodann ist zu fragen, ob das Beiwerk überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Das dürfte im Lichte der Geburtstagszug-Entscheidung des BGH und den daraus folgenden geringen Bewertungsmaßstäben für Gebrauchskunst (Stichwort: „kleine Münze“) für Poul Kjærholms Sessel und Sofas zu bejahen sein.

Schließlich ist die Wirkbeziehung von Beiwerk und Hauptgegenstand zu bewerten, wobei der BGH ausgesprochen strenge Maßstäbe anlegt. Ein Beiwerk ist demnach nur dann unwesentlich (und kann ohne Genehmigung entsprechend genutzt werden), wenn „das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter“ auffällt oder „die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird“, wenn ihm „nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist“ und wenn es „durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit“ für den Hauptgegenstand „ohne jede Bedeutung“ ist.

Unwesentlich ist demnach nur ein Werk, das „neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht“, was regelmäßig nicht der Fall ist, wenn es „erkennbar stil- oder stimmungsbildend“ ist, eine „bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreicht“, einen „dramaturgischen Zweck erfüllt“ oder sonst „charakteristisch“ ist.

Ersichtlich sind diese Maßstäbe sehr streng, schon bei den leisesten Zweifeln ist daher eine Rechteklärung, die Einholung einer entsprechenden, ggf. entgeltlichen Einwilligung, erforderlich.

Rechtsanwalt Dr. Urs Verweyen, KVLEGAL Berlin (www.kvlegal.de)