Verkalkuliert … wenn die Rechnung nicht aufgeht

Gerade moderne, komplexe Designprojekte zu kalkulieren, kann aufgrund der zahlreichen Unklarheiten zu Projektbeginn zu einer echten Herausforderung und schlimmstenfalls Fehlkalkulation werden. Das ist nie schön, aber hier haben wir ein paar Tipps, wie Designer im Ernstfall so damit umgehen können, dass ihnen kein irreparabler Schaden entsteht.

Ihr kennt das wahrscheinlich, irgendwie ist es jedem von uns schon einmal passiert. Ein potentieller Auftraggeber bittet um ein Angebot einer bestimmten Designleistung, das wir ihm gern erstellen, und wir freuen uns, letztlich das Projekt zu gewinnen. Zunächst geht alles geschmeidig von der Hand. Termine halten wir problemlos ein, der Kunde zeigt sich zufrieden, liefert fristgerecht seine Rückmeldungen und strengt uns nicht mit einer kontinuierlich wachsenden Liste an zusätzlichen Leistungen an. Sieht alles nach einem guten Erfolg aus … bis wir feststellen, dass der kalkulierte Aufwand nicht mehr stimmt. In der Realität brauchen wir länger als gedacht und geplant. Absehbar werden wir

  • unbezahlte Arbeit leisten
  • Termine nicht einhalten können
  • andere Projekte verschieben müssen
  • unseren Auftraggebern alles erklären müssen

Nichts davon brauchen wir. Entscheidend ist jedoch, dass wir den Umfang der unvergüteten Arbeit so gering wie möglich halten. Was ist also zu tun?

Nicht aufgeben

So schmerzhaft es sein mag und so verlockend der Gedanke ist, alles hinzuwerfen, so wenig ist irgendeinem der Beteiligten damit geholfen. Unser Auftraggeber wird ohnehin auf die Vertragserfüllung bestehen. Machen wir uns rar, vertrödeln wir das verkalkulierte Projekt, kommt es schlimmstenfalls zu einer juristischen Auseinandersetzung, in der wir keine guten Karten haben werden. Zudem sind wir Teil der Designszene, unser Verhalten könnte sich herumsprechen, und keiner weiß, in welchen Netzwerken der geschädigte Kunde über uns berichten könnte. Ganz abgesehen davon, ist es schlecht für das eigene Selbstbewusstsein, ein Projekt einfach abbrechen zu wollen.

Offene Kommunikation

Letztlich ist es nicht viel anders als in den meisten anderen (Konflikt-)Situationen: Reden hilft. Warum auch nicht? Jeder von uns hat eine Situation im Allgemeinen oder den Aufwand für ein bestimmtes Projekt im Speziellen schon einmal falsch eingeschätzt, im Übrigen auch unsere Auftraggeber. Demnach erzählen wir ihnen nichts Unerhörtes oder gar nie Dagewesenes. Im Gegenteil. Und weil das so ist, können wir nicht nur auf Verständnis hoffen, sondern regelrecht damit rechnen. Die entstandene Situation auf dem Rücken der Auftragnehmer auszutragen – sprich sie ohne Vergütung arbeiten zu lassen – ist nämlich nicht sinnvoll. Dies mag bei ihren ersten (und zweiten und manchmal auch dritten) Reaktionen nicht so aussehen, aber davon sollten wir uns nicht beirren lassen. (Vermeintliche) Unnachgiebigkeit ist eine schlichte Taktik, die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Wie sehr sie zum Tragen kommt, hängt auch von unserer Kommunikation ab.

Gleiches Ziel, gemeinsamer Weg

Für den Zeitraum des gemeinsamen Projektes sind unsere Auftraggeber und wir Partner, die auf einem gemeinsamen Weg das gleiche Ziel erreichen möchten. Das heißt für den Fall, dass wir eine Leistung zu gering kalkuliert haben, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden muss. Denn unsere Auftraggeber haben uns beauftragt, weil sie unsere Leistung benötigen, um ihre eigenen Geschäfte erfolgreich abwickeln zu können. Folglich haben sie ein Interesse daran, dass wir das Projekt mit einem guten Ergebnis zu Ende bringen.

Nun ist mit dem Reden allein noch nicht viel gewonnen, daher hier eine kurze Übersicht möglicher Maßnahmen:

Zahlungsplan vereinbaren

Vielfach ist der Mehraufwand für den Kunden als solcher nicht das größte Problem, sondern das verfügbare Budget. Daher kann es sinnvoll sein, mit dem Auftraggeber zu vereinbaren, in welchem Zeitrahmen der zusätzliche Aufwand vergütet wird. Möglicherweise bedeutet dies, für einen absehbaren Zeitraum in Vorleistung zu gehen, was jedoch immer noch die bessere Alternative zur verschwiegenen, unvergüteten Arbeit ist.

Unterstützung organisieren

Um zu größere Zeitverzögerungen im eigenen und im Interesse des Kunden zu vermeiden, kann man (AGD-)Kollegen um Unterstützung bitten. Dies kann sich zusätzlich in Zukunft auszahlen, weil wir selbst dann auch um Unterstützung gebeten werden. Dies kann besonders relevant sein, wenn es darum geht, andere Projekte und ihre Termine nicht zu gefährden.

Zusätzlichen Zeitaufwand mit einem geringeren Stundensatz kalkulieren

Wenn wir das Gefühl haben, dass es gut ist, dem Auftraggeber finanziell entgegenzukommen, können wir den zusätzlichen Aufwand mit einem geringeren Stundensatz kalkulieren. Es besteht auch die Möglichkeit, einen bestimmten Teil des Gesamtbetrages für den Mehraufwand dem Kunden zu erlassen. So ist uns bei der AGD ein Auftragnehmer für eine Webanwendung mit einem Preisnachlass von 50% für den zusätzlichen Aufwand entgegengekommen. Das hat an der ärgerlichen zeitlichen Verzögerung nichts geändert, war aber mehr als fair.

Projektverlauf dokumentieren und für die Zukunft merken

Am Ende nutzt dies alles nur, wenn wir die gewonnenen Erkenntnisse bei künftigen Projekten berücksichtigen. Daher ist es ratsam, den Verlauf der verkalkulierten Projekte zu dokumentieren und die Schlussfolgerungen daraus aufzuschreiben.

Werkvertrag oder Dienstvertrag nach Aufwand

Wie wir mit fehlerhaften Kalkulationen umgehen, hängt immer auch von der Art des Vertrages ab, den wir mit dem Auftraggeber geschlossen haben. Das wird unser Justiziar Alexander Koch im Weiteren ausführen. Generell jedoch und praktisch als Brücke zum nun folgenden Teil zu den juristischen Handlungsspielräumen sei darauf hingewiesen, dass es stets ratsam ist, bei einem avisierten Werkvertrag von vornherein 20% zusätzlich für die Vergütung des Werkes zu kalkulieren. Das löst zwar ein mögliches Zeitproblem nicht, verringert jedoch die Gefahr der unvergüteten Arbeit.

Von Rechts wegen

Bei aus dem Ruder gelaufenen Jobs gibt es leider auch Fälle, bei denen die Kunden hart bleiben und von den Designern die Fertigstellung der Arbeit zum vereinbarten Preis verlangen. Ebenfalls wirtschaftlich verhängnisvoll sind die Aufträge, bei denen Kunden sich schlichtweg nicht mehr entscheiden können, was erheblich Zeit und Nerven der Designer in Anspruch nimmt. Die Anfragen in der Mitgliederberatung sind dann oft auf die Möglich­keiten der Vergütung und auf die vorzeitige Beendigung der Jobs gerichtet.

Designer als Werkunternehmer

Bei der Mitgliederanfrage ist zunächst der Vertragstyp zu klären. Auch wenn man in der Kreativbranche oft von „Aufträgen“ spricht, kommt das in den §§ 662 ff. BGB geregelte Auftragsrecht nicht zur Anwendung, weil dies nur unentgeltlichen Tätigkeiten regelt. Weil Designer erfolgsbezogen arbeiten, nämlich die Herstellung eines Werkes versprechen, kommt in der Regel das in den §§ 631 ff. BGB geregelte Werkvertragsrecht zur Anwendung. Vielen Designern ist nicht bewusst, dass sie als „Werkunternehmer“ auftreten und ihre Kunden lediglich Besteller sind. Grundgedanke ist, dass die Werkunternehmer mit ihrer Expertise den Aufwand der Werkherstellung einschätzen können.

Vergütung anpassen

Entscheidend ist die Frage, ob Designer ihr Honorar anpassen können. Im jeweiligen Fall ist die im Vertrag bzw. in dem gegengezeichneten Angebot vereinbarte Vergütungsart zu ermitteln. Bei manchen Jobs mögen sich Kunden tatsächlich auf Stundenhonorare, das heißt eine Vergütung auf der Grundlage der tatsächlich anfallenden Stunden, einlassen. Setzt der Kunde – wie nicht selten – einen Maximalpreis fest, dann liegt in der Regel ein Pauschalpreisvertrag vor. Bei diesen Verträgen trägt der Werkunternehmer das Risiko, das versprochene Werk zu dem vereinbarten Preis herstellen zu können. Designer sind somit gehalten, ihre Leistungen detailliert zu beschreiben. Eine angebotene „Buchgestaltung, ca. 150 Seiten, inklusive Illustrationen und Bildbearbeitung“ ist die beste Einladung für Kunden, ihre später aufkommenden Sonderwünsche dem Angebot einfach zuzuordnen, ohne einen Cent mehr zahlen zu müssen. Besser ist es, die Buchherstellung näher zu umschreiben – vor allem nach Format, Seitenanzahl, Textumfang, Anzahl von Layoutvorlagen, Druckart, Umfang der Bildrecherche, Anzahl der Bildbearbeitungen und Anzahl der Illustrationen festzulegen. Weil die Schaffung eines Designs ein dynamischer Schaffensprozess ist, können selbst die Designer oft nicht abschätzen, was am Ende dabei herauskommen wird. Aus diesem Grund sind gleich am Anfang die Zwischenabnahmen und die Anzahl der Korrekturschleifen festzulegen. Kommen im Laufe der Buchproduktion weitere Wünsche des Kunden auf, dann kann man im Rahmen eines Nachtragsangebotes den Mehraufwand kalkulieren, was er durch Gegenzeichnung bestätigen muss. Halten sich die Designer nicht an diese Grundregeln, kann ein Design-Job sehr leicht zu einer unendlichen Geschichte ausarten. Und das vereinbarte (Pauschal-)Honorar verändert sich trotz des gesteigerten Aufwands nicht.

20 % mehr sind okay, oder?

In dem Zusammenhang kommt oft der Einwand, dass doch die tatsächlich entstandenen Kosten bis zu 20 % abweichen dürften. Das gilt nur, wenn der Designer seine Leistungen in einem Kostenan­schlag, ohne eine Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags zu übernehmen, berechnet hat (vgl. § 649 BGB). Die Überschrift „Kostenvoranschlag“ allein reicht nicht. Es muss erkennbar eine unverbindliche Berechnung der voraussichtlich anfallenden Kosten auf der Grundlage einer fachmännischen gutachterlichen Äußerung des Designers vorliegen, was mit Circa-Preisen gelingen kann, aber immer eine Frage des Einzelfalls ist. Eine wesentliche Kostenüberschreitung muss der Designer seinem Kunden unverzüglich anzeigen. Dieser kann dann entscheiden, ob er kündigt oder das Werk zu den gesteigerten Kosten fertig stellen lässt.

Vorzeitige Beendigung

Einige Designer wollen aus einem zerfahrenen Job einfach nur noch heraus. Das Werkver­trags­recht kennt in dieser Hinsicht wenig Gnade: Der Kunde kann jederzeit kündigen, dem Designer dagegen steht grundsätzlich nur eine Beendigungsmöglichkeit zur Verfügung. Kommt der Kunde einer Mitwirkungspflicht nicht nach, kann der Designer nach dem Verstreichen einer angemessenen Frist den Vertrag kündigen, §§ 642, 643 BGB. Die Mitwirkungspflicht kann bei einem Buchprojekt die Übersendung eines fertig gestellten Textes sein, das Zurverfügungstellen rechtlich geklärter Fotos oder die Auswahl eines Logos von drei Entwürfen. Wird der Kunde zu solch einer Handlung aufgefordert und ihm mit einer weiteren Frist die Kündigung angedroht, kann das zu einer unglaublichen Disziplinierung auf der Kundenseite führen. Entscheidend ist, dass solche Mitwirkungsplichten schon bei dem Angebot festgelegt sind.

Auch wenn das Werkvertragsrecht eher auf der Seite der Kunden ist, gibt es Möglichkeiten, Honorar anzupassen oder einen Vertrag vorzeitig zu beenden. Wie immer im Vertragsrecht kommt es auf eine vorherige Klarstellung in dem jeweiligen Angebot an. Insofern ist es ratsam, bei verkalkulierten Projekten nicht (allein) auf die vermeintlich günstige rechtliche Lage zu bauen und stattdessen das offene Gespräch mit dem Auftraggeber zu suchen und mit ihm gemeinsam eine tragbare Lösung zu finden.

Autoren: Alexander Koch (AGD-Justiziar), Victoria Ringleb (AGD-Geschäftsführerin), 20.09.2018